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Rezension: Anatomie des Holocaust- Raul Hilberg- Essays und Erinnerungen

Der im Jahre 2007 verstorbene Wissenschaftler Raul Hilberg war einer der ersten, der mit in die USA überführten deutschen Akten arbeiten konnte. Wer sich in der Holocaust-Literatur etwas auskennt, weiß, dass sein dreibändiges Werk "Die Vernichtung der europäischen Juden" von großer Bedeutung für die Holocaust-Forschung war.  

Die hier vorliegenden, von Prof. Dr. Hilberg verfassten Essays und Erinnerungen wurden von Walter H. Pehle und René Schott herausgegeben und sind brillant von Petra Post und Andrea von Struve übersetzt worden. 

Die Texte laden dazu ein, den Autor und Holocaust-Forscher über fünf Jahrzehnte seiner wissenschaftlichen Arbeit zu begleiten. Dabei sind die 13 Texte für dieses Buch zwischen 1965 und 2007 entstanden. Hilberg stellt darin Überlegungen zu den Ergebnissen und Kontroversen seiner Forschungstätigkeit an und zeigt zudem wie er bestimmte Formen des Gedenkens an den Holocaust sah. Zudem beinhalten die Erinnerungen des Autors die Archiv-Reisen, bei denen er das Material für seine Forschungsarbeit zusammen trug. 

Man erfährt u.a. Wissenswertes über die Bürokratie des Holocaust, die Zahl der Opfer, die Rolle der Judenräte und die Funktion der Reichsbahn und Wehrmacht im Vernichtungsprozess. 

Das Werk beginnt nach der Einleitung mit dem Aufsatz "The Anatomy oft the Holocaust" und wird fortgesetzt mit der Betrachtung der Motive der Deutschen für die Vernichtung der Juden. Wissen sollte man, dass die Forschung hier zwei Richtungen eingeschlagen hat: Die einen versuchen den Holocaust mit dem Wesen der Opfer zu erläutern, die anderen mit dem der Täter, so Hilberg. Darüber erfährt man im 2. Essay Näheres. 

Auch über die Bürokratie der Vernichtung wird man aufgeklärt und hat Gelegenheit, sich mit vielen anderen Aspekten der Forschung auseinander zu setzen. Dies halte ich für wichtig, um den gesamten Umfang der Abgründigkeit zu begreifen, der dieses Verbrechen erst möglich gemacht hat.

Das Buch kann ich jedem empfehlen, der sich mit diesem unsäglichen Geschehen vertieft auseinandersetzen möchte. Begreifen kann man den Holocaust meines Erachtens nur vor dem Hintergrund, dass sich die Nazis als Herrenmenschen verstanden haben und glaubten über Leben und Tod ihrer Mitmenschen befinden zu können.  Hybris war der Dreh- und Angelpunkt.


Helga König

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