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Rezension:"Mit meiner Vergangenheit lebe ich“ Memoiren von #Holocaust- Überlebenden- Herausgegeben von Ivan Lefkovits mit 15 Bildern von Gerhard Richter- Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag

Die vorliegende Box enthält 15 Hefte mit Memoiren von Holocaust-Überlebenden, die Ivan Lefkovits – er ist einer von ihnen- herausgegeben hat. Es handelt sich bei diesem umfangreichen Werk um ein Memoiren-Projekt gegen das Vergessen. 

Wir leben in einer Zeit, in der die Generation der im Holocaust nicht ermordeten jüdischen Zeitzeugen ausstirbt und einige der Autoren der vorliegenden Hefte schon nicht mehr leben. Um so mehr ist es nun Aufgabe bei nachfolgenden Generationen, die Erinnerung an  das größte Verbrechen aller Zeiten wachzuhalten und sie von der Humanität als das einzig sinnstiftende menschliche Verhalten zu überzeugen.

Die Umschläge der Hefte sind mit Bildern des Künstlers Gerhard Richter illustriert. Peter Iden schreibt dazu in einem Essay, dass Richter für den Umschlag eines jeden Bandes aus vier großformatigen Gemälden Teile herausgeschnitten habe. Die Originale wurden im Frühjahr 2015 in Dresden im Museum Albertinum der Städtischen Kunstsammlungen gezeigt. Bei den Bildern handelt es sich um abstrakte Malerei. 

Die vier Werke tragen den Titel "Birkenau". Dies ist der Namen des größten Vernichtungslagers der Nazis, in dem  die  braunen Schergen etwa 1,1 Millionen Menschen ermordet haben. Peter Iden berichtet über die Entstehung dieser Bilder und auch wie man deren Farben zu interpretieren hat. Resümierend schreibt er: "Eine Wut lebt in dieser Malerei. Wütende Trauer. Verzweiflung. Zu spüren ist in jedem Augenblick die für den Maler existentielle Notwendigkeit, diese Bilder zu wagen", die "die Grenzen des Fassbaren" bezeugen. 

Der Herausgeber  Ivan Lefkovits erzählt im Heft Nr. 8 aus seiner Vita. Er ist Holocaust-Überlebender des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, wo er am 15. April 1945 seitens der britischen Armee befreit wurde. Er ist der einzige aus seiner Familie, der den Holocaust überlebte. Der studierte Chemiker besitzt seit 1984 das Schweizer Bürgerrecht und lebt in Basel. 

Allen Heften sind eine Vielzahl von Schwarz-Weiß-Fotos beigegeben worden, die genau wie die Texte als sinnstiftende Maßnahmen gegen das Vergessen zu begreifen sind. Jedes der Hefte enthält entsetzliche Zeugnisse von nie zuvor da gewesener Menschenverachtung. 

Die Texte vollständig zu lesen, kostet Überwindung und man fragt sich immerfort, wie es überhaupt möglich war, mit solchen Traumata sein Leben fortzusetzen: All die Leichenberge in Bergen-Belsen, der Rauch der Krematorien, der Wahnsinn der Selektion, die Brutalität, die Folter, die unglaublichen Perversionen dieser furchtbaren Nazibrut, wie soll man damit umgehen? Alles als Teil des Menschseins begreifen, als das Böse, das immer wieder hervorbrechen kann? 

Schon wieder brennen Häuser in Deutschland, schon wieder gibt es Attacken gegen Fremde. In 2015 haben Rechtsextreme 924 Flüchtlingsheime angegriffen. Dabei nehmen die Täter die Gefahr für die Menschen in den Häusern billigend in Kauf. Der rechte Mob tobt erneut auf den Straßen und jeder, der nicht blind ist, sieht die Parallelen zu den fatalen Zuständen in der Weimarer Republik. 

Diese  Memoiren von Holocaust-Überlebenden zu lesen, empfehle ich nachdrücklich. Wer verdrängt oder vergessen will, wer zusieht und schweigt, wer nicht begreifen möchte, dass der Jude von gestern heute bei den Rechtsradikalen der Muslime ist, macht sich mitschuldig, wenn morgen hierzulande wieder Millionen  von Menschen Opfer  einer krankhaften Ideologie werden.

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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