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Rezension: #Mythos_Redemacht- Eine andere Geschichte der #Rhetorik- Karl-Heinz Göttert, S.Fischer Wissenschaft

Prof. Dr. Karl-Heinz Göttert ist der Autor dieses breit angelegten Sachbuches, in dem er aufzeigt, dass der europäische Redner keine universelle, sondern eine historisch fixierbare Erscheinung verkörpert, mit klarem Start und durchgehender Tradition über bereits schon zweieinhalb Jahrtausende hinweg. 

Redekunst wurde in Griechenland ausgebildet zu einem Narrativ, in dem die Macht der Rede zu einem Mythos wurde.

Das Buch wiederlegt die Thesen vom Niedergang der Redekunst und den mangelnden Fähigkeiten der Redner. Es gibt sie noch immer, die große Rede mit sprachlicher Kunst und perfekter Präsentation. Die Wissenschaft hat sich mit dem theoretischen Aspekt der Rede ausgiebig befasst. 

Zwischenzeitlich gibt es eine perfekte Aufarbeitung der rhetorischen Fachliteratur von der Antike bis heute. Es ist möglich Redner und Reden europäischen Zuschnitts miteinander zu vergleichen, denn entscheidende Maßstäbe haben sich nicht verändert. Der Autor fragt, worin genau diese Maßstäbe bestehen, was das Spezifische ist, das sich abgrenzen lässt von anderen Kulturen, in denen europäische Redekunst aufgrund unterschiedlicher Erwartungen vermutlich ebenso wirkungslos wäre wie umgekehrt nichteuropäische bei uns? 

Fakt scheint zu sein, dass man dem folgt, den man anerkennt und Rede im Grunde sekundär ist. Es geht also um Autorität, die der Redner hat. Autorität gewinnt man, wenn man das Publikum versteht, dessen Gedanken aufnimmt und dabei mit argumentativen und sprachlichen Mitteln arbeitet, die beeindrucken. Bei der Redekunst geht es offenbar um vorzeigbares, vorgezeigtes Können, so der Autor.

Glaubwürdigkeitslücken werden beispielsweise durch Ästhetik überdeckt, zumindest in Europa. Glaubt man Göttert, scheint die Macht der Rede von Anbeginn an eine durchsichtige Konstruktion gewesen zu sein, die der Idee des Überwältigens durch (Anwendung von) Kunst folgte. Dieses Konzept europäischer Redekunst hat offenbar immer noch Erfolg. 

Der Autor stellt im Buch Reden in interessanten Paarungen (Meister Eckhart und Johann Christoph Gottsched, Cicero und Rosa Luxemburg oder Perikles und Richard von Weizäcker) nebeneinander und verleiht der Geschichte der Rhetorik eine neue Perspektive. Dazu gibt es eine Fülle von lehrreichen Exkursen, z.B. zu Platons Kritik an der Rhetorik, zur Größe der Rede oder zu Charisma.

Wer sich in Sachen Rhetorik kundig machen möchte, sollte dieses aufschlussreiche Buch lesen, das ein Kompendium rednerischen Geheimwissens darstellt und uns Redner aus völlig neuer Perspektive betrachten lässt.

Empfehlenswert

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu den S Fischer Verlagen und können das Buch dort bestellen. Sie können es aber auch  direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.http://www.fischerverlage.de/buch/mythos_redemacht/9783100265319

Rezension: Weil es um die Menschen geht- #Kilian_Kleinschmidt-# Econ

Kilian Kleinschmidt, der Autor dieses Buches,  lebt heute als Berater, globaler Netzwerker und Gründer der Organisation "Innovation an Planning Agency" mit seiner Familie in Wien. Zuvor hat er jahrelang als Nothelfer für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gearbeitet und war u.a. in Sri Lanka, im Kosovo, in Somalia, im Kongo, in Kenia, in Ruanda und im Süd-Sudan tätig. Kleinschmidt leitete zudem "Zaatari",  das größte Lager für syrische Flüchtlinge an der syrisch-jordanischen Grenze. 

Während ich das Buch las, fragte ich mich immer wieder, wie es für Kilian Kleinschmidt möglich ist, all diese entsetzlichen Eindrücke, die er im Buch beschreibt, zu verarbeiten. Zunächst analysierte ich den Bildteil, der den aufmerksamen Beobachter mit diesem Alpha-Mann visuell vertraut macht und fand auf der letzten Seite die Antwort: "Es ist mein Traum, dass wir kollektiv begreifen, dass alle Menschen, die heute auf der Flucht sind, in Slums vegetieren, keine Arbeit haben oder auf dem Land versklavt werden, aus ihrem menschenunwürdigen Leben mit dem, was die Welt an Ressourcen schon besitzt, leicht herausgebracht werden können und müssen. Es geht um unser gemeinsames Überleben und unsere gemeinsamen Werte."  Dieser Mann hat also eine Vision und die Kraft sie umzusetzen. Das ist Motor genug, um all die schlimmen Eindrücke zielführend zu verarbeiten.

Eine Rezension zu seinem Buch zu schreiben, in dem man immer wieder Bezug auf die Inhalte nimmt, ist fast unmöglich, denn  in diesem autobiografischen  Werk  mit dem Titel "Weil es um die Menschen geht" wird man in sehr dichter Form mit den Erinnerungen eines Menschen konfrontiert, der Zehntausende von Hutu aus dem Regenwald rettete, die Flüchtlingsrückkehr im Kosovo koordinierte sowie nicht zuletzt das syrische Flüchtlingslager "Zaatari" befriedete und viele andere Meisterleistungen auf humanitärer Ebene erbrachte,  dass man einfach nur staunen kann über die Power dieses wirklich mutigen und dabei beeindruckend klugen Mannes.

Kleinschmidts Vater war Hochschullehrer in Frankfurt und später in Köln. Nichts deutete in der Kindheit und Jugend des Autors darauf hin, dass er nach dem Abitur, anstelle zu studieren, zunächst Ziegenkäsebauer und Dachdecker in den Pyrenäen werden würde. Doch gewiss hat sein humanistisch geprägtes, familiäres Umfeld die Basis dazu geliefert, dass er später zu einer Person wurde, die anstelle Krisen auszulösen,  sich zum Experten entwickelte, diese zu managen. 

Im Buch beschreibt Kleinschmidt zunächst seine Jahre in den Pyrenäen, erwähnt auch seine Beziehungen zu den Menschen dort und wie es dazu kam, dass er schließlich als Krisenhelfer an den Brennpunkten der Welt tätig wurde. So war er u.a. zweimal in Mogadischu, zuletzt von 2012 bis 2013 als Stellvertretender humanitärer Koordinator für ganz Somalia und auch als Sicherheitskoordinator der Vereinten Nationen für Mogadischu im Einsatz. Der Nothelfer  schreibt von Millionen von Vertriebenen dort und an vielen anderen Orten dieser Welt, berichtet vom Selbstfindungsprozess in verschiedenen Länder, die vormals Kolonialstaaten waren, der gegenseitigen Ausbeutung, die zu gewaltsamen Perioden führte und es wohl immer noch tut. 

Er berichtet weiter von  den Monaten in Ruanda, von den Hutus, die er rettete und hier auch liest man: "Immer wieder hatte ich Massen von Menschen gesehen, die versuchten auf irgendeine Weise zu überleben. Die Angst stand ihnen in den Augen, die Angst vor dem Tod." 

Man erfährt von Mädchensoldaten bei den Tamil Tigers und in diesem Zusammenhang macht Kleinschmidt begreifbar, dass Kinder benutzt werden für Ideologien, weil sie noch nicht verstehen. 

Überall hat der heutige globale Netzwerker  mit Menschen gesprochen und sich ein Bild gemacht, hat tausend Gefahren durchlebt, wie kein Anderer Flüchtlingselend gesehen. Er schreibt über seine Aktivitäten in Zaatari, dem Ort, der viele Geschichten zu erzählen hat: "Die Geschichte des Krieges und der Menschen aus Syrien, die Geschichte der Helfer und Mühen, eine solche Situation in den Griff zu bekommen; und dann das große Thema: die Art und Weise, wie man mit Menschen umgeht und wie man im 21. Jahrhundert humanitäre Hilfe und Flüchtlingslager innovativer gestalten kann." 

Kleinschmidt weiß aufgrund seiner Erfahrungen, dass Milliarden Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben, weil sie durch Klimawandel, Umweltschäden, Verschmutzung, Armut und brutalste Ausnutzung durch skrupellose Industrielle und Großgrundbesitzer ausgebeutet und vertrieben worden sind. Er weiß auch, dass es diese Menschen sind, denen wir, wenn sie fliehen, beim Ertrinken auf dem Mittelmeer zuschauen. 

Für Kleinschmidt ist klar, dass Menschen, die aufgrund von Armut, Ausbeutung und fehlenden Menschenrechten die Flucht ergreifen, Grund genug haben, genau dieses zu tun und es keineswegs eines Krieges bedarf, um sich mit ihnen solidarisch zu erklären. 

Wie der Autor konstatiert, werden Flüchtlinge als Sklaven gehandelt, als Kinder verkauft und Vergewaltigung sei eher die Regel als die Ausnahme. Flüchtlinge erstickten in Containern, ertrinken und verdursten und Menschenhändler machen Millionen mit ihnen. Bei all dem schaut die moderne Gesellschaft zu. 

Die traditionelle humanitäre Hilfe könne ihre Grundaufgabe, Leben zu retten, nicht mehr für alle, die sie benötigen, erfüllen. 

Leider sei die humanitäre Hilfe zu einem gigantischen Geschäft geworden. Amerikanische und europäische Charity-Organisationen kämpften nur noch um ihre Marktanteile. Der Mensch und seine Würde werde selten in den Mittelpunkt gestellt, stattdessen werde die Not als Ware verkauft. 

Diese Realität und die Tatsache, dass die Hilfsorganisationen der UNO kein eigenes Geld besitzen und dass sich bestimmte Flüchtlinge und bestimmte Krisenherde besser verkaufen als andere, stimmt mehr als nachdenklich.   

Wenn sie wissen möchte, welche neuen Perspektiven die humanitäre Hilfe im 21. Jahrhundert bietet, dann lesen Sie bitte dieses analytische und dabei zutiefst berührende Buch. Der Troubleshooter Kilian Kleinschmidt zeigt neue Wege auf. Diese  zu gehen, kann nur klug sein. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

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Rezension: Peter J. König: 1945- Niederlage und Neubeginn- Edition Lingen Stiftung

Die Edition Lingen-Stiftung ist dafür bekannt, dass sie immer wieder zeitgeschichtliche Themen analysiert und in Buchform veröffentlicht. Bei dem hier vorliegenden Werk, dessen Herausgeber der 1952 in Münster geborene Historiker Ernst Piper ist, geht es, wie der Titel es bereits aufzeigt, um die Niederlage und den Neubeginn Deutschlands. 

Beginnend mit dem Jahr 1939 wird die Geschichte des "Dritten Reiches" über die Kapitulation am 8. Mai 1945 und dem Ende der Hitler Diktatur, den ersten Nachkriegsjahren mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis hin zum Ende des Jahres 1949 beleuchtet. Weltpolitisch ist diese Ära von entscheidender Bedeutung, markiert sie nicht nur das Ende des Zweiten Weltkrieges mit all seinen Folgen, wie die Teilung in Ost und West mit den geo-politischen Einfluss-Sphären der USA und der Sowjet-Union, in diese Zeit fällt auch der Kalte Krieg mit der Spaltung Europas.

Deutschland ist geprägt von der Herrschaft der Besatzungsmächte, der Berlin-Blockade, den Kriegsverbrecher-Prozessen und der Gründung der beiden deutschen Staaten. International stehen solche weltbewegenden Ereignisse wie die Bürgerkriege in Griechenland und China, die Gründung des Staats Israel, ebenso die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien und die Staatsgründung Indiens auf dem indischen Subkontinent im Focus.

All diese Ereignisse haben unmittelbaren Einfluss auf das heutige Zeitgeschehen, deshalb ist es eminent wichtig, hierüber fundiertes Wissen zu erlangen. Damit dies gewährleistet ist, hat sich der Herausgeber Ernst Piper neben seinen eigenen Beiträgen die Mithilfe von 12 weiteren sehr kompetenten Wissenschaftlern gesichert, die jeweils in eigenen Beiträgen die besonderen Problematiken dieser Zeit beleuchten.

Um vorab einen ersten Eindruck zu vermitteln, hier nun ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis, wobei es sich jeweils um die Oberbegriffe handelt, die dann im Buch durch viele Einzel-Beiträge der mitwirkenden Autoren ausgestaltet werden.

Die Themenkreise sind:
Einführung
Besatzungsherrschaft
Neue Grenzen und zwei deutsche Staaten
Auf dem Weg in die Bundesrepublik
Krieg – Bürgerkrieg – Unabhängigkeit
Ausblick

Wieviel Fachwissen hier versammelt ist, zeigt die Namensliste der renommierten Autoren, die da sind:
Jörg Becken
Wolfgang Benz
Ralf Fücks
Gerd Hankel
Manfred Jehle
Lars-Broder Keil
Sven Felix Kellerhoff
Silke Kettelhake
Christopher Kopper
Ernst Piper
Heinz A. Richter
Axel Schildt
Michael Schwartz

Das Werk "1945 Niederlage und Neubeginn" aus der Edition Lingen-Stiftung informiert nicht nur sehr profund mit seinen textlichen Beiträgen, die Anschaulichkeit des Zeitgeschehens wird auch durch eine Fülle von Bildern, Karten und Tabellen dargestellt. So gelingt es einen sehr anschaulichen Gesamtüberblick über diese an politischen Ereignissen so entscheidende Zeit im 20. Jahrhundert zu erlangen. Dass die Gestaltung des Buches die Neugierde und das Interesse des Lesers weckt, spricht besonders für die Ausgaben der Edition Lingen-Stiftung. Dabei eignen sie sich bestens auch als Nachschlage-Werke, wenn das Eine oder das Andere einmal in Vergessenheit geraten sein sollte.

Sehr empfehlenswert

Peter J. König

Im Fachhandel erhältlich
ISBN 978-3-945136-20-1

GEO-Epoche, Nr. 58: Deutschland unter dem Hakenkreuz, Teil. 2: 1937-1939: Hitlers Weg in den Krieg. (Broschiert)

GEO EPOCHE Nr. 58 thematisiert die Jahre 1937-1939 in Deutschland. Im Rahmen von 11 Beiträgen unterschiedlicher Autoren, darunter ein Interview mit dem Historiker Richard J. Evans und viele Fotos, gewinnt man einen sehr guten Eindruck von den Aktivitäten der braunen Kohorte, die damals zum 2. Weltkrieg geführt haben.

Das Magazin beginnt mit einer Bilddokumentation. Hier wird eingangs nochmals darauf hingewiesen, dass dieses Pack innerhalb von nur vier Jahren den Rechtsstaat durch Terror und Willkür ersetzten, Juden und politische Gegner verfolgten und ermordeten und den Versailler Vertrag brachen. Aufgrund der Gleichschaltung war die Geisteshaltung der Nazis in alle Lebensbereiche eingedrungen und bestimmte das Denken eines großen Teils der Bevölkerung.

Die Entrechtung der Juden verstärkte sich 1938 abermals und mündete in antisemitische Pogrome. Bereits in der Bilddokumentation wird auf die Arbeitssklaven der Nazis hingewiesen, die von ihnen gnadenlos ausgebeutet wurden.

Mathias Mesenhöller geht der Frage nach, weshalb sich so wenig Widerstand gegen das Regime regte, obschon die millionenfachen Naziverbrechen bekannt waren. Ich empfehle den Beitrag "Verführung und Gewalt" aufmerksam zu lesen, denn er ist sehr aufschlussreich. Der Analyse stimme ich vollkommen zu. Christoph Kucklick schreibt über den Angriff auf das baskische Städtchen Guernica am 26. April 1937. Die Nazis unterstützten den Spanischen Bürgerkrieg und hier die Truppen unter dem Putsch-General Fransisco Franco. Wissen muss man, dass weder Spanien noch die anderen europäischen Länder, die damals rechten Diktatoren zum Opfer fielen, eine solche Zerstörungswut und Aggressivität an den Tag legten, wie die Nazi-Deutschen.

Der Größenwahn Hitlers zeigte sich besonders deutlich in den Plänen, die er seitens Albert Speer für Berlin entwerfen ließ. Erwähnt werden im Zusammenhang mit dem Größenwahn auch das Seebad Prora, ein viereinhalb Kilometer langer Hotelkomplex an der Ostsee und die sogenannten Ordensburgen. Die vielen Großvorhaben plus die Milliarden, die für das Militär ausgegeben wurden, mussten finanziert werden. Da es mit eigener Kraft nicht funktionieren konnte, plante man andere Völker auszurauben. Allen voran die Juden.

6 Millionen Juden wurden aufgrund des vom Hass gespeisten Größenwahns ermordet.Die antisemitische Ideologie diente der Habgier der Nazis.

Johannes Strempel berichtet über den Obersalzberg. Der dortige "Berghof" im Berchtesgadener Land war Hitlers zweiter Regierungssitz. Auf dem Obersalzberg lebten auch seine Günstlinge, allen voran der Architekt Albert Speer und nicht zu vergessen seine 23 Jahre jüngere Geliebte Eva Braun. Wie man erfährt war der "Heilige Berg" das "Sehnsuchtsziel" eines pseudoreligiösen Hitlerkultus.

Weitere Themen sind der so genannte Anschluss Österreichs und die Kulturpolitik. Hier liest man Wissenswertes zum Propagandaminister Goebbels, der einen gewaltigen Apparat aufbaute, mittels dem er die Kultur und die Medien lenkte. Auf welche Weise dies geschah, wird sehr gut erörtert. Über den Betrug von München wird man aufgeklärt. Hier geht es um die sogenannte "Appeasementpolitik" und ihre Folgen. Zudem berichtet Constanze Kindel ausführlich über die "Reichskristallnacht". Damals in der Nacht vom 9. auf den 10. November gingen die Nazis von der Verfolgung zur existentiellen Vernichtung über.

Juden, die das Land verlassen wollten, wurden zuvor seitens des Nazi-Staates ausgeplündert. Ende Oktober 1938 wurden 12 000 Juden polnischer Staatsangehörigkeit verhaftet und deportiert. Am 9. November dann kam es zu den unsäglichen Plünderungen.

Ich frage mich wie all die Aggressoren und Wegducker nach 1945 weiterleben konnten? Kann man Schuld so sehr verdrängen?

Der Sommer 1939 kommt zur Sprache, bevor man das Interview mit Richard J. Evans lesen kann. Hier beantwortet der Brite die Fragen, ob die gewöhnlichen Deutschen Komplizen oder Opfer waren, ob sie Krieg wollten und ob sie Adolf Hitler hätten stoppen können. Ganz zum Schluss wird mit Kurzbiografien von Wegbereitern, Förderern sowie Trägern des NS-Regimes aufgewartet und die Daten und Fakten der fokussierten Zeit aufgelistet. Auch nach diesen beiden hervorragenden Magazinen ist mir immer noch nicht klar, weshalb große Teile des Volks damals zu Psychopathen mutierten und nur wenige Menschen sich nicht in den Massenwahn hineinziehen ließen. Wäre es heute anders?

Ich befürchte nicht..... Sehr empfehlenswert.

Helga König

Rezension: Peter J. König- Inside IS- 10 Tage im "Islamischen Staat“ , Jürgen_Todenhörfer, C. Bertelsmann

Zweifellos hat Jürgen Todenhofer mit seinem neuen Buch Inside IS – 10 Tage im "Islamischen Staat" ein nicht nur spektakuläres Buch verfasst, sondern auch ein erkenntnisreiches. Als erster westlicher Journalist hat der Publizist, der bereits seit vielen Jahrzehnten in der islamischen Welt recherchiert, er war unter anderem in Afghanistan bei den Taliban und ist mit ihnen durch die Kampfgebiete gezogen, nachdem die Russen das Land besetzt hatten, es geschafft, mit offizieller Erlaubnis die eroberten Gebiete des sogenannten IS in Syrien und im Irak zu besuchen, um eine Reportage von dort anzufertigen. 

Begleitet wurde er bei diesem mehr als lebensgefährlichen Unterfangen von seinem Sohn Frederic und dessen Freund Malcom. Internationale Journalisten hat es schon einige gegeben, die inkognito auf dem eingenommenen Territorium des "IS" versucht haben, über die dortige Situation zu berichten. Einige von ihnen wurden hingerichtet, indem man ihnen die Köpfe abgeschlagen hat, andere warten noch auf ihr zweifelhaftes Schicksal, ebenfalls enthauptet zu werden oder vielleicht doch durch eine hohe Lösegeldsumme frei zu kommen. 

Dies alles war Jürgen Todenhöfer sehr bewusst, als er den Entschluss fasste, ein solches journalistisches Unternehmen zu starten. Ihm war aber auch klar, dass nur eine Reise in die "IS-Gebiete" tatsächliche Erkenntnisse bringen, wie es mit dem Phänomen "Islamischer Staat" bestellt ist, und wie es sein kann, dass in so kurzer Zeit solche militärischen Erfolge erzielt werden konnten, trotz zahlenmäßiger und militärtechnischer Unterlegenheit, und wie dieses neue "Staatsgebilde" rein praktisch funktionieren soll, trotz verstärkter Luftangriffe der Amerikaner und der syrischen Luftwaffe. 

Weiterhin wollte Jürgen Todenhöfer wissen, warum der "IS" eine solche Anziehungskraft für viele jungen Menschen aus Europa, Russland und der übrigen Welt besitzt, die als Jihadisten sich dem "IS" angeschlossen haben, um auf blutigste Weise dort zu kämpfen und auch zu sterben. Wie es Todenhöfer und seinen Begleitern überhaupt gelang mit entscheidenden Personen des "IS" in Kontakt zu treten und darüber hinaus eine offizielle Einladung zum Besuch in den besetzten Gebieten in Syrien und dem Irak zu bekommen, dies schildert das Buch eindrucksvoll. 

Als die Reise dann auch tatsächlich beginnt, wird es durchaus dramatisch, denn Todenhöfer konnte niemals sicher sein, was die Garantien der Führungsebene des "IS" tatsächlich wert waren. Schließlich hat sich der Mut und die Neugierde der drei Journalisten gelohnt, denn so authentisch hat noch kein Medienvertreter aus dem Innern des "IS" berichtet, eine derartige genaue Recherche war bisher niemanden gelungen. 

Todenhöfer, der ehemalige Richter und Bundestagsabgeordnete ist kein Kriegsbericht-Erstatter, obwohl er sich schon oft in Kriegs-und Aufständigen- Gebieten aufgehalten hat. Ihn interessieren die Voraussetzungen der Konflikte, ihre Brutalitäten und wie diese sich auf die geschundenen Menschen auswirken. Als Humanist versucht er selbst Hilfe zu leisten, sowohl auf medizinisch-technischer Ebene durch Hilfsorganisationen, als auch auf diplomatischer, indem er sich an die Regierungen wendet. 

Seine Intension ist die Wahrheit zu recherchieren und zu publizieren, wobei er auch ständig heftigen Gegenwind erhält im In- und Ausland, je nach seinen Erkenntnissen. Deshalb treibt ihn auch immer wieder die Frage um, wie es sein kann, dass der "IS" im Namen Allahs und des Islam eine solche blutige und grausame Spur nach sich zieht, und ob da nicht gezielte Propaganda mit im Spiel ist. Dies versucht Todenhöfer vor Ort in langen Gesprächen mit "IS-Vertretern" herauszufinden, zumal er diese immer wieder auf die friedlichen Absichten des Korans hinweist. 

Inside IS- 10 Tage im "Islamischen Staat", erschienen im C. Bertelsmann Verlag ist ein erkennisreiches, aber auch sehr nachdenkliches Buch, auch weil Jürgen Todenhöfer auf Grund seiner über fünfzig-jährigen Erfahrung mit islamischen Staaten alles andere als in westlich eingefärbten Kategorien denkt. 

Sein Credo ist die Mitmenschlichkeit und wenn diese verletzt wird, scheut er sich nicht dieses anzuprangern, von welcher Seite auch immer. Für den Mut hautnahe Erkenntnisse des "IS" zu recherchieren, gebühren ihm, seinem Sohn Frederic und dessen Freund, der nicht erkannt werden will und deshalb das Pseudonym Malcom gewählt hat, höchsten Respekt und Anerkennung, haben die drei doch erstmalig belegbare Beweise über die Vorgehensweise und das Leben unter "IS" erbracht und aufgezeigt. 

Das Buch hilft etwas Licht in das Phänomen "IS" zu bringen. 

Sehr empfehlenswert 

Peter J. König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Bertelsmann-Verlag und können das Buch dort direkt bestellen. Sie können es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.http://www.randomhouse.de/Buch/Inside-IS-10-Tage-im-Islamischen-Staat/Juergen-Todenhoefer/e487332.rhd


Rezension: Im Namen der #Menschlichkeit- Rettet die #Flüchtlinge! #Heribert_Prantl #Ullstein Streitschrift

Kürzlich habe ich auf Twitter einen Tweet des Ullstein-Verlags verlinkt. Es handelte sich dabei um ein Zitat aus dem vorliegenden Büchlein, ganz konkret um den letzten Absatz. Dort ist zu lesen: „Es ist Zeit, sich auf Sankt Martin zu besinnen, einen der Schutzheiligen Europas. Es ist Zeit, die Klöster und Kirchen für Flüchtlinge aufzumachen, es ist Zeit, die Herzen für Schutzsuchende zu öffnen und die Haushaltspläne aufzustocken: Es ist Zeit, die Globalisierung der Gleichgültigkeit zu beenden."

Die Publikation erschien am 29. Mai 2015. Zwischenzeitlich hat sich viel ereignet. Der Papst hat mittlerweile jede Pfarrei, jedes Ordenshaus und jede Wallfahrtsstätte in Europa aufgefordert, eine Flüchtlingsfamilie aufzunehmen. Doch dies kommt letztlich nur einem Tropfen auf einen heißen Stein gleich. Viele Menschen haben die Herzen für Schutzsuchende hierzulande mittlerweile geöffnet und dies ist auch bitter notwendig, wenn man sich die derzeitige Flüchtlingslage vor Augen führt. Bald wird es herbstlich kühl in Europa. Was dies für die Flüchtlinge heißt, dürfte jedem klar sein. Nun müssen wir verstärkt an die Flüchtlingsursachenbekämpfung denken und gleichzeitig Unterkünfte bauen für all jene, die alles verloren haben und hier bei uns derzeit zum Teil in Zelten wohnen.  

"Zur Flüchtlingsursachenbekämpfung gehört eine restriktive Waffenexportpolitik und eine neue Handelspolitik." Das schreibt Heribert Prantl in seinem Plädoyer gegen die Abschottung Europas und für ein radikales Umdenken in der flüchtlings- und Einwanderungspolitik. 

Heribert Prantl hat Rechtswissenschaften Geschichte und Philosophie studiert. Er leitet seit 1995 das Ressort Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung und ist seit 2011 dort Mitglied der Chefredaktion. 

In seinem brillanten Text erinnert er zunächst an die "Internationale" und hier an die Anfangszeile, in der von den "Verdammten dieser Erde"  die Rede ist. Heute seien die Verdammten dieser Erde die Flüchtlinge, die vor Bürgerkrieg und Folter, vor Hunger und absoluter Armut fliehen. Wie Prantl unterstreicht, sind sie ausgeschlossen aus der Welt, "in der ein Fünftel der Weltbevölkerung vier Fünftel der Reichtümer verbraucht."

Der Autor schreibt und wir erleben dies in Fernsehberichten mittlerweile täglich, dass die Europäische Union versucht, von der Not unbehelligt zu bleiben. Es funktioniert aber nicht mehr. Da werden Grenzen mit einem Netz von Radaranlagen und Satelliten gesichert, durch die Grenzschutzagentur "Frontex" Flüchtlinge abgedrängt und mittels einer Mauer aus Paragraphen alles versucht, um Flüchtlinge wieder nachhause zu schicken. 

Der Autor erläutert das sogenannte "Dublin-System", wonach derjenige Staat, den der Flüchtling auf seiner Flucht nach Europa als Erstes betreten hat, für das Asylverfahren und die Aufnahme des Flüchtlings zuständig sei. Es liegt auf der Hand, dass dieses System erfunden worden ist, um die "Flüchtlingslasten" auf die Randstaaten der EU abzuwälzen. Dieses System funktioniert mittlerweile aber offenbar nicht mehr aufgrund der Massen an Flüchtlingen und Vertriebenen. 

Prantl nennt das Dublin-System zu recht "ein schweinisches System", weil es ein Aufruf zu möglichst brutaler Flüchtlingsabwehr sei. Die Rettungsinsel Lampedusa kommt zur Sprache und es wird auch erwähnt, dass in einer einzigen Woche im April 2015 über 1000 Menschen im Mittelmeer ertranken. Es waren Bootsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa, erfroren und ertrunken "in der Kälte der europäischen Flüchtlingspolitik"

Der Jurist Heribert Prantl schreibt: "Der Tod der Flüchtlinge ist ein Teil der europäischen Abschreckungsstrategie. Die Europäische Union tötet. Sie tötet durch Unterlassen, durch unterlassene Hilfeleistung."

Ist Europa eine Festung? Offenbar wurde sie es, nachdem man sich vor dem Überlebenstrieb der Flüchtlinge zu fürchten begann. 

Es führt zu weit, im Rahmen der Rezensionen sich weiter in Einzelheiten dieser Streitschrift zu vertiefen. Tatsache ist, die flüchtlingsarme Zeit in Deutschland ist nun vorbei. 

Ich stimme Prantl zu, wenn er schreibt, "Zur Flüchtlingsursachenbekämpfung gehört eine restriktive Waffenexportpolitik und eine neue Handelspolitik"  und empfehle jedem sich mit den sechs Punkten einer neuen europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik im Buch zu befassen, hauptsächlich die zuständigen Politiker. Sie finden dieses 6 Punkte- Programm auf den Seiten 24 ff des Manifests. 

In Punkt 6 geht es dabei um Flüchtlingskinder. Wie Prantl unterstreicht, verstößt der derzeitige Umgang mit Flüchtlingskindern massiv gegen die UN Kinderrechtskonvention als in Deutschland und Europa geltendes Recht. Darüber muss geredet werden, nicht nur am bevorstehenden #Weltkindertag.

Ich stimme Heribert Prantls analytischen Betrachtungen in seinem Büchlein völlig zu und auch seinen Vorschlägen wie man die derzeitigen Probleme bewältigen kann. 

Die Streitschrift sollte möglichst von vielen Menschen  gelesen werden, denn sie schafft Bewusstsein. Dass es daran leider mangelt,  erlebt man täglich,  nicht nur wenn man  Statements im Internet liest.

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Ullstein-Verlag und können das Buch bestellen http://www.ullsteinbuchverlage.de/nc/buch/details/im-namen-der-menschlichkeit-9783550081262.html. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.