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Rezension:Die Geschichte des Organisierten Verbrechens (Geo Epoche 48-2011) (Taschenbuch)

Geo Epoche Nr.48 befasst sich ausgiebig mit der Geschichte des organisierten Verbrechens. Im Prolog hat man Gelegenheit durch bewegende Fotos einen Eindruck von dem Krieg, den Mafiosi 1981 in Italien gegeneinander und gegen den Staat entfesselten, zu gewinnen. Man wird visuell mit dem Chaos auf den Straßen konfrontiert, das die Cosa Nostra ausrichtete und erlebt den hochkonzentrierten leitenden Staatsanwalt in Palermo, Roberto Scarpinato, der von diversen Bodyguards bewacht wird, in der Öffentlichkeit.


Mathias Mesenhöller berichtet von den Anfängen der Mafia und lässt dabei nicht unerwähnt, dass sich schon immer Menschen verbündet haben, um gewaltsam reich zu werden. So haben Räuberbanden oder auch Piratengesellschaften bestimmte Regeln befolgt und in jedem erdenklichen Verhältnis zur politischen Macht gestanden. Jeder weiß von den europäischen Freibeutern, die das Einverständnis ihrer Fürsten genossen, solange sie deren Rivalen plünderten, (vgl.: S.23).


Modern organisierte Kriminalität bedingt einen Staat, der das alleinige Recht beansprucht, Gewalt auszuüben, um auf diese Weise seine Bürger und deren Eigentum zu schützen und zudem das Versagen dieses Staates, den Anspruch durchzusetzen. Nur so wird aus privater Gewalt organisierte Kriminalität, zu einer Verschwörung, die das Gemeinwesen unterminiert, ohne dabei ideologische Ziele anzustreben, sondern einzig Profit zu machen, (vgl.: S.24).

Man liest von Personen in Westsizilien, die sich 1838 an Verbrechen aller Art beteiligt haben und die gütliche Einigungen mit gewöhnlichen Banditen vermittelten sowie Fonds unterhielten, um auf diese Weise Gerichte und Behörden zu manipulieren. Trotz dieser Berichte lässt sich weder ein Gründungsjahr noch ein Statut der Mafia ermitteln, weil sie keine zentrale Führung und keine Gremien kennt und auch keine Aufzeichnungen hinterlässt. Das ist ihre Methode, sich gegen Verrat und Verfolgung zu schützen. Deshalb auch wissen die Behörden nur wenig von der Mafia. Die Unsichtbarkeit trägt den Namen "omertà". Was dies konkret bedeutet, wird sehr gut erklärt, (vgl.: S.24).

Einer der spannendsten Beiträge ist Al Capone, dem mächtigsten Kriminellen Chicagos um 1930 gewidmet. Dieser Verbrecher herrschte über ein Imperium, das mit Alkoholschmuggel, Glücksspiel und Prostitution Millionen scheffelte. Al Capone soll zwischen 20 und 60 Menschen ermordet und die Ermordung weiterer 400 Personen veranlasst haben.


Nicht uninteressant ist, das nach dem ersten halben Jahr der Prohibition (am 17.1.1920 trat ein Verfassungszusatz in den USA in Kraft, der "Herstellung, Verkauf und Transport von berauschenden Getränken" im Land verbot), schon 1500 Ärzte und 57000 Drogisten "Alkohollizenzen" für "medizinische Zwecke" beantragten und im gleichen Jahr der Verbrauch an Messwein im über drei Millionen Liter zunahm, (vgl.: S.36).


Man liest des Weiteren von der "Grünen Bande", die um 1927 Bordelle, Opiumhöhlen und Spielkasinos in Shanghai kontrollierte, auch von der Neu-Formierung der mächtigsten Mafia-Familien in den USA um 1931, die ihre kriminellen Geschäfte wie ein Wirtschaftskartell betrieben haben und ihre Widersacher mittels professioneller Todesschwadronen ermorden ließen, (vgl.: S.59). Richter und Politiker wurden duch Bestechung gefügig gemacht und Kontrolle rund um die Uhr war ebenso üblich wie Erpressung usw.. Mafiosi wenden immer solche Mittel (Kontrolle, Bestechung, Erpressung und Mord) zur Durchsetzung ihrer Interessen an. Das wird in diesem Magazin deutlich.


Eine kriminelle Vereinigungen in Russland in den 1920er Jahren, auch die Mafia auf Kuba während der Diktatur Batistas werden zur Sprache gebracht und man freut sich, dass Fidel Castro 1959 in Kuba der Mafia den Garaus machte, in dem er Laster, Korruption und Glücksspiel per Dekret verbot und die Mafiosi des Landes verwies.

Lesenswert auch ist der Beitrag "Tod unter der Brücke". Hier geht es um den Mord an dem Mailänder Bankier Roberto Calvi, der in illegale Geschäfte mit Mafia, dem Vatikan und korrupten Politikern verstrickt war. Spannend zu lesen ist der Beitrag über "Pablo Escobar", der in den 1970er Jahren ein milliardenschweres Kokain-Imperium aufbaute und Krieg gegen den kolumbianischen Staat führte, als dieser seinen Plänen im Wege stand, (vgl.: 118). Bemerkenswert ist, dass Escobar, der ein sehr brutaler Drogenboss war, noch heute von einer großen Anzahl von Menschen in Medellín verehrt wird. Wie kommt es, dass manche Menschen brutale Schurken bewundernswert finden, anstelle ihnen die rote Karte zu zeigen?


Es finden sich neben den genannten noch eine Reihe weiterer interessanter Beiträge zum Thema Mafia in diesem Magazin und daneben viele Fotos furchtbar hässlicher, dazu noch tätowierter Gestalten, denen man weder im Hellen noch im Dunkeln begegnen möchte.


Nochmals, Kontrolle, Korruption, Erpressung und Mord sind die gängigen Methoden der Mafia, die durch Unterminierung der Systeme, sich die Basis schaffen, um skrupellos Kasse machen zu können. Keine Gründe also, Mafiosi zu bewundern.
Empfehlenswert.


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Rezension: Das Ende der Gewissheiten: Reden über Europa (Gebundene Ausgabe)

Dieses Buch enthält Reden über Europa von Ulrich Beck, Professor und Direktor des Soziologischen Institutes der Ludwig-Maximilians- Universität bis 2009 und jetzt Gastprofessor in Harvard, Bazon Brock, Philosoph und Professor der Kunst und Ästhetik an der Universität Wuppertal, Konrad Paul Liessmann, Essayist, Literaturkritiker und Professor für Philosophie an der Universität Wien, Jakob von Uexküll, Stifter des "Alternativen Nobelpreises" und Initiator des World Future Councils und vielen anderen mehr.


Das Buch erschien 2009. Für die Autoren der Anthologie ist die globale Krise, gemeint Klimawandel und Artensterben, Hungerkatastrophen, die Verknappung der natürlichen Ressourcen, Terrorismus und zerfallende Staaten, ein Wendepunkt. Diese Krise, die aus vielen kleinen und großen Krisen besteht, könnte nämlich das Überleben auf unserer Erde infrage stellen, so Michael M.Thoss, Geschäftführer der Allianz Kulturstiftung, weil diese Krisen sich auf gefährliche Weise potenzieren. Gefragt wird, wie sich Europa gegenüber der Bedrohung positioniert und was wir zur Bewältigung beitragen können. Analysiert wird im Rahmen der Reden die derzeitige Verfasstheit Europas und in diesem Zusammenhang unsere Zukunftsfähigkeit in einem sich rapide verändernden globalen Kontext. Wohin bewegt sich Europa und welche Lehren ziehen wir aus der Krise, sind Fragen, die den Redner Thoss bewegen. Christine Weiss, Publizistin und Honorarprofessorin der Universität des Saarlandes, will u.a. wissen, woher wir unsere eigene kulturelle Identität beziehen und ob es überhaupt eine europäische, kulturgeprägte Identität gibt.

Es führt zu weit, die 21 Reden im Einzelnen zu skizzieren. Gesagt werden kann, dass in diesen Reden viele wohl durchdachte Antworten auf die vielschichtigen Fragen der globalen Bedrohung gegeben werden. Der kulturelle und religiöse Pluralismus im jetzigen Europa schafft eine Reihe von Problemen, die man nur im Rahmen eines Dialoges lösen kann, dessen ist sich nicht nur Tariq Ramadan, Islamischer Denker und Professor für Islamwissenschaften am St. Antony`s College in Oxford bewusst und dass man mit schmelzenden Gletschern nicht verhandeln kann, hat sich auch schon herumgesprochen. Karel Schwarzenberg , Außenminister der Tschechichen Republik von 2007 bis 2009, titelt zu Recht: "Das Biedermeier ist zu Ende, wir haben es nur noch nicht realisiert" und trifft genau den Punkt, wenn er postuliert: "Wir müssen ein gemeinsamer Markt von Ideen werden, nicht nur der Waren, ein gemeinsamer Markt der Begabungen, nicht nur der Beamten. All das steht und noch bevor", (Zitat: S. 140).


Die Reden sind keine Festtagsreden, sondern gedanklich tiefgehend uns aufschlussreich.


 Empfehlenswert

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Rezension:Die Formel der Macht (Gebundene Ausgabe)

Dr. Harald Katzmaier und Dr. Harald Mahrer befassen sich im vorliegenden Buch mit den Facetten der Macht. Auf Seite 62 las ich den entscheidenden Satz: "Die Deutungshoheit über unsere Wirklichkeit ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Quellen von Macht überhaupt."Wie nun erlangt man diese Deutungshoheit und was versteht man eigentlich unter Macht? Hat sich der Machtbegriff im Laufe der Jahrhunderte verändert? Welche Machtmodelle gibt es? Das sind einige der Fragen, die im Buch sehr gut beantwortet werden. Nicht allen werden die Überlegungen der Autoren schmecken, die in Sätzen zum Ausdruck kommen, wie etwa: "Die liberale Amerikanische Revolution beförderte eine Machtkultur, die Macht und insbesondere ökonomische Macht auf der Ebene der Geschichten (der "Stories") und Mythen egalisiert hat".(...)"Das Primat der Ökonomie hat in den vergangenen Jahrzehnten die globalen Machtstrukturen weiter verändert. Die weltweite Finanzindustrie wurde zum zentralen Schlüssel-Spieler und stolperte jüngst gemeinsam mit der Politik- wie wir zwischenzeitlich wissen, über eine intransparente, nicht mehr beherrschbare Systemkomplexität. Und die Finanzindustrie stolperte über eine Kasino-Mentalität, in der an Ressourcen und Netzwerken Mächtige immer weniger in den Aufbau realen Sach- und Humankapitals investieren wollten, sondern in immer fabelhaftere Finanzprodukte. Es wurde mehr gewettet als investiert."(...) "Was für eine eigenartige Änderung des Bildes der Macht, weg vom "heroischen" Unternehmer hin zum Spieler(der, der "Riecher" hat), der - wie sich zuletzt herausstellte- vor allem auf Kosten anderer Geld macht. Auf Kosten getäuschter Anleger, auf Kosten der haftenden öffentlichen Hand und damit auf Kosten der Gesellschaft."(Zitat: S. 63-64). Ich teile diese Überlegungen der Autoren und habe das Buch, nachdem ich beim ersten Durchblättern diesen zitierten Text las, neugierig in seiner Gesamtheit gelesen und als sehr informativ empfunden.

Gleich zu Beginn erfährt man, dass derjenige, der spezifische Ressourcen (nicht nur Geld!) mit spezifischen Beziehungen in Verbindung bringen kann, Macht besitze. Diese Machtformel erläutern die Autoren im Buch gut nachvollziehbar, zeigen auch, dass ökonomische Ressourcen wie Geld und Wissenskapital nur ein Teil der relevanten Machtressourcen sind und ein anderer Teil in Werten, Haltungen, Visionen und Ideen besteht. Symbolische Ressourcen spielen seit Jahrtausenden bereits in der Politik und in der Gesellschaft eine Rolle. Dort, wo Ideen und Persönlichkeiten sich glaubwürdig vereinen, entstehen besondere Machtpotentiale, (vgl.: S.23). Macht in der Gegenwart habe derjenige, der Deutungsmacht über die Zukunft gewinne. Dazu ist es allerdings notwendig, seine Netzwerke im Griff zu haben und sie immerfort auszubauen. Am Beispiel unserer Kanzlerin kann man sehr gut nachvollziehen, wie ihr Netzwerk brüchig wird. Dass dies Folgen für die nächste Wahl haben wird, ist m.E. vorauszusehen. Was könnte sie tun, um das Ruder noch herumzureißen?

Es stimmt, man benötigt eine große Machtperipherie, um Macht im Zentrum konzentrieren zu können und es stimmt auch, dass diejenigen, die die eigene Peripherie nicht am Wachstum des Wohlstands, der im Netzwerk erwirtschaftet wird, teilhaben lassen, die Quellen des eigenen Ressourcenreichtums zerstören. Anhänger des Neokapitalismus wollen diesen Punkt nicht begreifen, obschon die Folgen doch absehbar sind. Ludwig Erhard hat dieses Problem sehr gut erkannt und in seinem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft überaus erfolgreich und klug umgesetzt.

Es stimmt, keiner ist in der Lage absolute Macht zu erringen, "Macht bildet Ranking und Reihen, sie vergibt Plätze"(...)Die Sieger leben vom Vergleich mit den Verlierern- jeder kluge Sieger weiß, dass man nicht aus sich heraus man mächtig ist, sondern man den anderen dazu benötigt, (siehe S. 38). Das vergessen selbstverliebte Machtinhaber allzu oft und werden dann Opfer ihrer Hybris, so meine Beobachtung.

Es stimmt weiter, wenn die Autoren konstatieren, dass derjenige, der keine Handlungsmacht besitzt, den Widrigkeiten der Zukunft schutzlos ausgeliefert ist. Deshalb auch ist die oberste Maxime der militärischen Führung für strategische Entscheidungen am Erhalt der Handlungsfreiheit orientiert. Machtorientierte Personen versuchen alles zu unternehmen, um die Handlungsfreiheit ihrer Gegner zu zerschlagen und dazu ist ihnen in der Regel jede Intrige recht. Soweit ich mich erinnere, hat Machiavelli sich dazu bereits dezidiert geäußert.

Die Autoren verdeutlichen, weshalb Macht ein solides Fundament, auch weshalb sie Resilienz benötigen. Resilienz- das Zauberwort der Stunde-, war meines Erachtens in allen Zeiten notwendig, um bei allen Widrigkeiten der Zeitläufte seine Macht zu erhalten. Auf Unvorhergesehenes machtvoll zu reagieren, bedarf eines mathematischen Verstandes und auch sehr guter intuitiver Fähigkeiten, an denen reine Machtechnokraten in der Regel scheitern.

Gut sind die Fragen der Autoren, wie etwa: "Was macht uns resilienter und entwicklungsfähiger?", "Was fördert unser Vermögen, auf Unvorhergesehenes zu reagieren?", "Wie halten wir uns neue Optionen offen?", "Wie bleiben wir inmitten eines Sturms handlungsfähig?" (Zitat:. S. 60). Meines Erachtens haben diese Fragen schon immer die Macht der Zukunft geprägt und wurden stets nur von sehr intelligenten Machthabern sinnvoll beantwortet. Mir fallen dazu die historischen Beispiele, wie der Stauferkaiser Friedrich II. und Jakob Fugger ein. Zwei absolute Ausnahmemenschen.

Eine These der Autoren lautet, dass die Macht der Zukunft noch mehr denn je durch die Software-Industrie definiert wird. Wer dort die neuen Wirklichkeitsräume zur Verfügung stellt, sie kontrolliert, steuert und weiterentwickelt, hat die Macht, sofern er in der Lage ist Machtmythen zu durchschauen und Deutungshoheit sowie Ressourcen gut zu managen,(vgl.: S. 83- 84). Stimmt.

Die Autoren befassen sich intensiv mit Netzwerken und lassen den Leser wissen, dass starke Netzwerke über einen starken Kern an geteilten Wahrnehmungen, Interessen und Perspektiven verfügen. Man sei sich einig darüber, wie die Welt sei und noch mehr einig darüber, wie die Welt sein sollte, (vgl.: S.87). Wer die Macht eines Mächtigen untergraben möchte, muss demnach Zwietracht im Netzwerk säen, so meine Analyse. Dies ist das tägliche Brot der Intriganten in Wirtschaft und Politik. Jeder weiß das.

Wann ist ein Netzwerk machtvoll und wann ist es machtlos? Welchen Sinn haben soziale Netzwerke, wenn überhaupt? Die Autoren schreiben nicht zu Unrecht, dass soziale Netzwerke nicht dazu in der Lage sind, Macht zu verdichten, weil dies nämlich Repräsentation und entsprechende Strukturen erfordere, (vgl.: S. 99).

Aufgezeigt wird, woran man Netzwerkmacht erkennen kann und auch welches Machtmodell in welcher Weise funktioniert und ferner, welche Chance man hat, in Netzwerken aufzusteigen, d.h. , was man tun muss, damit dieses geschieht. Man sollte wissen, dass man, je tiefer man in Machträume vordringt, je näher man also dem Machtkern kommt und je höher man in der Netzwerkhierarchie aufsteigt, um so mehr kommt man in den Genuss von Informationen, die die eigenen Ressourcen vergrößern. Es trifft nach meinen Beobachtungen zu, dass, wie die Autoren schreiben, je höher man aufsteigt, desto wichtiger nicht nur Taten, sondern die Worte oder andere Artikulations- und Darstellungsformen, sowie die Bedeutung von Symbolik und nonverbale Kommunikation werden. Dies wird einem sehr schnell klar, wenn man sich aufmerksam die Nachrichten im Fernsehen ansieht und hin und wieder den Ton abstellt. Sehr bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Selbstinszenierungen Joschka Fischers, einem Meister auf diesem Gebiet.

Wichtig zu wissen: "Mächtige Netzwerke fordern, bevor sie fördern", (Zitat. S.137) Von daher ist es notwendig einem Netzwerk zu zeigen, was man zu bieten hat, aber man sollte sich auch darüber klar werden, was einem das jeweilige Netzwerk tatsächlich bringen kann. Soziale Netzwerke in der digitalen Welt haben nach Meinung der Autoren für Machtnetzwerke keine Zukunft, weil sie kein qualitatives Wachstum besitzen. Thesen wie diese werden den Betreibern von Facebook etc. gewiss nicht gefallen, weil ihr Marktwert dadurch bestimmt langfristig nicht steigt. Was können uns Netzwerke lehren? Wie "man Visionen und Ideen bündelt, wie man dafür Anhängerschaft mobilisiert, wie man Ziele formuliert und wie man sie gemeinsam erreichen kann."(Zitat: S. 158).

"Macht =Ressourcen x Netzwerk". Da sich Ziele ohne Macht nicht durchsetzen lassen, sollte sich jeder, der wirtschaftliche oder politische oder andere Ziele umsetzen möchte, mit den Grundvoraussetzungen von Macht auseinandersetzen. Dieses Buch ist ein Einstieg dazu.
Empfehlenswert.

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Rezension:Kluge Mädchen: Oder wie wir wurden, was wir nicht werden sollten (Sonderausgabe) (Gebundene Ausgabe)

Dieses sehr schöne und dabei hochinformative von Antonia Meiners herausgegebene Buch mit einem Vorwort von Senta Berger befasst sich mit der Entwicklung der jungen Mädchen von 1900 bis heute. Das Buch ist untergliedert in die Kapitel:
1900-1918 Die gute Partie oder der eigene Weg

1919-1932 Kurze Röcke, kurze Haare, kurze Freiheit

1933-1945 Blond und brav zum BDM

1946-1961 Nach dem Chaos in die heile Welt

1989- heute Die Qual der Wahl

Zu Beginn jedes Kapitels erfährt man im Rahmen einer Zeitblende die wichtigsten Eckdaten der jeweiligen Zeitperiode und hat Gelegenheit sich in Texte unterschiedlicher Art (auch Briefe und Tagebuchauszüge) im Hinblick auf Mädchenverhalten einzulesen, um auf diese Weise einen Überblick über die Erwartungshaltungen an junge Mädchen und über das Fühlen und Denken dieser Mädchen in den letzten elf Jahrzehnten zu erhalten.

Begeistert haben mich die vielen Fotos der weiblichen Teenager, einst junge Mädchen genannt. Zu Beginn des Jahrhunderts besaßen diese Mädchen einen Liebreiz, den gleichaltrige Teenager heute nicht mehr besitzen, vielleicht weil man ihnen bereits im Kindesalter die geistige Unschuld raubt.

1908, also vor etwas mehr als 100 Jahren, gewährte Preußen als eines der letzten Länder des Deutschen Reiches Frauen die Zulassung zum Universitätsstudium. In Österreich durften die Frauen bereits seit 1900 Medizin und Pharmazie studieren. Frauen, die in jenen Tagen studierten, waren die Ausnahme, noch dachte man daran, dass Frauen Hausfrauen werden sollten und junge bürgerliche Mädchen besuchten deshalb Haushaltsschulen für höhere Töchter.

Man hat Gelegenheit aus dem Tagebuch Marlene Dietrich zu lesen. Die Einträge stammen von 1913-18 und zeigen, dass sie ein Mädchen war, das seiner Zeit offenbar schon weit voraus gewesen ist. Sie schreibt am 4.2.1914: "Ich hatte einen Riesenkrach mit Mutti. Als sie sagte, wenn ich mit so vielen Pennälern ginge, wäre ich mannstoll. Erstens "treibe" ich mich nicht mit Jungen "rum" und zweitens wäre die Freundschaft mit Bekannten- man braucht sich ja nicht gleich zu lieben- noch lange nicht mannstoll. Ich werde immer erst darauf gestoßen, in allen harmlosen Dingen etwas Schlimmes zu sehen,"(Zitat. S.25).

Die Zwanziger Jahre zeigen die allmähliche Veränderung im Denken von jungen Mädchen, die nun keine langen Kleider mehr tragen müssen, sich freier bewegen können und dies auch tun, keineswegs nur körperlich, sondern auch mental. Die kurze Phase der Freiheit endete mit dem Nationalsozialismus und dessen rigiden Vorstellungen im Hinblick auf das, was aus jungen Mädchen einmal werden sollte. Fürchterlich war die Ideologie der BDM-Mädchen. Der Anteil der weiblichen Studenten wurde bei den Nazis übrigens auf 10% beschränkt. Das sagt viel aus über das menschenverachtende braune Gesindel. Der Psychopath aus Braunau unterstrich:"Es gibt doch nichts Schöneres, als sich ein jung Ding zu erziehen: Ein Mädchen mit achtzehn, zwanzig Jahren ist biegsam wie Wachs. Einem Mann muss es möglich sein, jedem Mädchen einen Stempel aufzudrücken. Die Frau will es auch nicht anders!" (Zitat: S.53)

Ein Brief vom mutigsten Mädchen des letzten Jahrhunderts von Sophie Scholl an ihren Freund Fritz Hartnagel kann man lesen und einen Auszug aus dem Tagebuch von Anne Frank. Solche Mädchen waren den Nazis ein Dorn im Auge.

Junge Mädchen zu Ende des Krieges und auch in den 1950er Jahren sind ein weiteres Thema. Damals war es ähnlich wie in der NS-Zeit noch immer verpönt, sich zu schminken. Alles ändert sich mit Conny und Peter, mit Elvis und den Halbstarken. Von da an war nichts mehr so wie es war. Es scheint wie ein Anknüpfen an die Freiheit der 20er Jahre. Mit großem Interesse habe ich über die Zeit zwischen 1962-1988 gelesen und die modischen Finessen jener Jahre mit Vergnügen nachvollzogen. Durch die Frauenbewegung änderte sich alles. Die Möglichkeiten für junge Mädchen sind heute so vielfältig wie nie. Diese Tatsache freut mich jeden Tag und es freut mich auch diese Tatsache im vorliegenden Buch bestätigt zu bekommen.

Klug ist ein Mädchen dann, wenn es seinen Weg geht und sich keinen Stempel aufdrücken lässt. Daran hat sich in allen Zeiten nichts geändert. Sophie Scholl war eines der klügsten Mädchen des letzten Jahrhunderts, auch wenn ihr Weg direkt zum Fallbeil geführt hat.

Empfehlenswert.

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Rezension: Im Inneren des Milliardengeschäfts Menschenhandel (Gebundene Ausgabe)

Die mexikanische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Lydia Cacho deckte in ihrem ersten Buch einen Pädophilen-Ring in Mexiko auf, wurde daraufhin verhaftet und gefoltert und lebt seither unter permanenter Bedrohung in Mexiko.

Im vorliegenden Buch, das Jürgen Neubauer aus dem Spanischen übersetzt hat, beleuchtet Cacho das Milliardengeschäft des weltweiten Menschenhandels mit Frauen und Kindern und reiste aus diesem Grunde in die Türkei, nach Israel, Palästina, Japan, Kambodscha, Birma und Argentinien, um überall den Sexismus zu analysieren und um schließlich aufzuzeigen, welche neuen Formen der Ausbeutung durch das Internet entstanden sind. Dass die Journalistin bei ihren Reisen viele Gefahren auf sich nahm, dürfte jedem klar sein. Ihre berichtigte Angst zwang sie zur Vorsicht und veranlasste sie, ihre Informanten sorgfältig auszuwählen. Die Gefahren, in die sich die Opfer begaben, die ihre Geschichten erzählten, erinnerten die Journalistin daran, wie gefährlich es ist, als Frau in einer vollkommen von Männern beherrschten Gesellschaft zu leben.

Mafiosi, Politiker, Militärs, Unternehmer, Industrielle, religiöse Führer, Bankiers, Polizeibeamte, Richter, Auftragsmörder und ganz gewöhnliche Menschen bilden das gewaltige Netzwerk des internationalen Verbrechens und der Kitt dieses Netzwerkes ist die sexuelle Befriedigung, über die alle Beteiligten an den Ergebnissen der Zwangsprostitution teilhaben, so die Menschenrechtlerin. Cacho bringt auf den Punkt, wenn sie schreibt: "Die einen schaffen den Sklavenmarkt, andere beschützen ihn und wieder andere fragen die menschliche Ware nach,"(Zitat: S. 19)

Zu Recht schreibt die Mexikanerin, dass der Menschenhandel, der in 175 Ländern der Erde dokumentiert ist, aufzeigt, inwieweit sich die menschliche Grausamkeit mittlerweile in der Kultur festgesetzt hat. Realität ist, dass rund 1,4 Millionen Menschen, primär Frauen, in die Sexsklaverei gezwungen werden. Was man darunter zu verstehen hat, macht Cacho im Buch umfassend deutlich. Die Journalistin bringt es auch hier auf den Punkt, wenn sie unverblümt formuliert: "Sie werden gekauft, verkauft und weiterverkauft wie Rohstoffe der Industrie, wie Trophäen, wie Opfergaben oder wie gesellschaftlicher Müll,"(Zitat S.20).

Die Autorin zeichnet eine Landkarte der modernen Sexsklaverei und gibt Antworten auf die Grundfragen des modernen Journalismus: Durch, wen, wie, wann, wo und warum im 21.Jahrhundert der Handel mit Sklaven, Waffen und Drogen immer weiter zunimmt," (Zitat: S.26).

Eine Untersuchung unter thailändischen Studierenden, Soldaten und Arbeitern brachte zum Ausdruck, dass die Soldaten mit Abstand die besten Kunden der Prostitution sind. Untersuchungen zum Handel mit Frauen und Mädchen ergeben, dass es in erster Linie die vermeintlichen Ordnungshüter, also Angehörige der Polizei und Armee sind, welche Menschenhändler schützen und in Bordellen mindestens ebenso gute Kunden sind wie Touristen, (vgl.: S.211).

Cacho fragt, was sich hinter sexueller Gewalt verbirgt und macht klar, dass die Angst der Frauen vor Vergewaltigung kein Produkt der Phantasie, sondern ein Erfahrungswert darstellt. Kunden der Prostitution weisen lt. der Menschenrechtlerin eine Gemeinsamkeit auf: sie setzen ihre Sexualität dazu ein, ihre Macht zu bestärken, Anerkennung unter Gleichgesinnten zu finden und sich als "echte Männer" zu beweisen, (vgl.: S. 217). Nach Ansicht der Journalistin existiert dieser Machismo in aller Welt, nicht nur in den Schwellenländern und gründet sich in erster Linie auf Macht, Neid, Selbstverherrlichung und Sexualität. Weder Fernsehen, Kino noch Universitäten würden letztlich patriarchalische Wertvorstellungen hinterfragen, mit denen sie die vorherrschenden geschlechterspezifischen Rollen und Verhaltensmuster zementieren, (vgl.: S.218). Die Autorin zitiert die Sozialwissenschaftlerin Kathryn Farr, die bekundet, dass die Sexsklaverei und die Vergewaltigung durch Soldaten zumindest indirekt durch ein patriarchalisches System ermöglicht werden.


Cacho schreibt im Zusammenhang mit Menschenhandel auch von der Geldwäsche und wie diese abläuft. Dabei gibt es vier Grundregeln, die bis heute noch Gültigkeit haben, (siehe S. 229). Wie sich das Handwerk der Zuhälter gestaltet, kann man ab Seite 241 nachlesen und ist im Grunde einfach nur angewidert, über das, was Menschen anderen Menschen antun. Es stimmt, es ist erschütternd, inwieweit selbst die unmenschlichste Gewalt gegen Frauen vielfach als etwas Normales wahrgenommen wird. Es gäbe nur wenige Männer, die sich im Kampf gegen Menschenhandel und die Gewalt gegen Frauen engagieren, oder die für eine menschlichere, weniger verdinglichte und verdinglichende Männlichkeit eintreten. Demgegenüber steigt die Zahl der Kunden der Kinderpornographie und der Zwangsprostitution von Minderjährigen. Weshalb das so ist, versucht Cacho vielschichtig zu beantworten. Die Journalistin hat gelernt, dass aus Opfern nur dann Überlebende werden, sofern sie die Freiheit dazu haben. Nur auf diese Weise vermögen sie die Entscheidung treffen, den Schmerz hinter sich lassen, meint Cacho. Wir müssen und da stimme ich der Mexikanerin, wie in allen anderen Punkten des Buches zu, die Selbstbestimmung der Opfer respektieren, deren Feinde die Kunden des Sklavenmarktes sind und deren Verbündete wir sein könnten, wenn wir bereit sind, die Sklaverei ohne Wenn und Aber abzulehnen.
Empfehlenswert.


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Rezension: Staatsfeind WikiLeaks: Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert - Ein SPIEGEL-Buch (Broschiert)

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1 .Mai konnte man im Wirtschaftsteil einen bemerkenswerten einseitigen Artikel mit dem Titel "Geschäftsmodell Hacker" lesen. Anlass war der Datenklau bei Sony, der derzeit durch die Presse geht. Preise auf dem Hackermarkt für E-Mail-Adresse, das Stehlen von Passwörtern, das Erstellen von Programmen für Angriffe von Firmenwebsites und Erstellen von Schadstoffsoftware werden genannt. Das Eindringen in fremde Computer sei kein Sport mehr für übermütige Teenager, sondern sei ein Geschäft geworden. Rund um Hacker und Cracker habe sich ein eine Branche gebildet, die genau so professionell wie skrupellos vorgeht. Das Geschäft sei profitabel. Wer Computer manipulieren könne, könne sehr rasch Geld verdienen. Große Datenmengen wie bei Sony seien eine Menge wert, sofern man sie gestückelt verkaufe. Computerkriminelle sind heute professionell organisiert, las ich weiter in dem Artikel. Offenbar ist keine Internetfirma vor diesen Kriminellen geschützt. Die Zeit von idealistischen motivierten Hackern wie Julian Assange gehört offenbar weitgehend der Vergangenheit an, so meine Wahrnehmung. Wirtschaftskriminelle Hacker dominieren das Feld und bedrohen unser Staatsgefüge auf eine Weise, wie man dies kaum für möglich hält.

Gestern, also am 7. Mai 2011, las ich im Wirtschaftsteil der FAZ erneut einen Artikel zum Thema, diesmal mit dem Titel "Die dritte Säule der IT Branche". Hier las ich u.a., dass das IT-Unternehmen IBM täglich 13 Milliarden digitale Angriffe und unser Bundesinnenministerium für Deutschland alleine Angriffe im Sekundentakt zähle. Gefordert wird nun von der IT-Branche eine dritte Säule, die es möglich macht, sich gegen die Angriffe erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Im Netz tummeln sich, jeder weiß es, Kriminelle aller Art, die schwer greifbar sind und deshalb dort fröhliche Urstände feiern. Der weltwirtschaftliche Schaden beträgt lt. der FAZ von gestern mittlerweile 100 Milliarden Dollar im Jahr.


Die Spiegel-Autoren Marcel Rosenbach und Holger Stark beschreiben im vorliegenden Buch die idealistisch motivierte Hackeraktivitäten der Netzaktivisten der Organisation WikiLeaks, die seitens der amerikanischen Regierung zum Staatsfeind erklärt worden ist.

Sehr ausführlich wird die Vita des hochintelligenten Gründers dieser Organisation Julian Assange dargestellt, der seit Jahren gegen den Staat als Sammelbecken einer vermeintlich korrupten Elite zu Feld zieht. Er folge einer Konzeption, die Medien, Ökonomie und politische Eliten als Teilmengen eines größeren Problems betrachte, korrumpiert von der Macht, eine Verschwörung gegen die Bürger. Seine Weltsicht nehme Anleihen im radikalen Liberalismus eines Milton Friedman wie in einer klassischen anarchistischen Theorie, (vgl.: S. 109).

Im Buch wird nicht nur die biographische Entwicklung von Assange unter psychologisch und soziologisch nicht uninteressanten Kriterien ausgelotet, sondern auch die Anfänge der von WikiLeaks dargestellt. Dieser Organisation geht es darum, mittels Hackern gekaperte brisante Dokumente aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Rüstung, den Geheimdiensten ins Netz zu stellen, um Aufklärung zu betreiben.

Auf die Widersprüchlichkeiten von Assange wird im Buch immer wieder hingewiesen, so etwa auch auf sein Verhalten im Hinblick auf die Presse. Rosenbach und Stark versuchen gut nachvollziehbar ein objektives Bild von ihm und der Organisation zu zeichnen also nicht Partei zu nehmen.

Dargestellt werden nicht zuletzt die Enthüllungen geheimer Dokumente aus US-Botschaften sowie über die Kriege in Afghanistan. Mit der Veröffentlichung der diplomatischen Geheimdienstdepeschen habe WikiLeaks aus Sicht der Regierenden eine rote Linie überschritten, weil die Geheimdiplomatie ein wichtiges Werkzeug der amerikanischen Machtpolitik sei. Die Politik von WikiLeaks sei eine Herausforderung für jeden Staat, für repressive Regime mehr noch wie für demokratische, (vgl.: S.287). Die Frage, die sich stellt, ist ob die Veröffentlichungen die Demokratie gefährden oder ob solche Veröffentlichungen nicht der Demokratisierung Vorschub leisten. Wie ist das Tun zu werten? Als kritischer Journalismus oder als Verrat von Staatsgeheimnissen?

Ein hochinteressantes Buch, das nachdenklich stimmt. Die Frage, die sich mir stellt ist, wodurch ein demokratisches Staatsgefüge mehr bedroht wird, durch einen rechtlichen mehr als bedenklichen, investigativen Internetjournalismus, wie Assange ihn auf seine Fahnen geschrieben oder durch wirtschaftskriminelle Handlungen in 100 Milliardenhöhe, von denen die FAZ gestern geschrieben hat? Wenn aufgrund des Internets Daten jedweder Art nicht mehr sicher zu stellen sind, dann geht es in erster Linie darum, dass Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Die geforderte dritte Säule im IT-Bereich ist eine davon, ethisches Umdenken eine weitere.

Empfehlenswert.
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Rezension:Wir haben wieder aufgebaut: Frauen der Stunde null erzählen (Gebundene Ausgabe)


Antonia Meiners hat mit diesem Buch den sogenannten Trümmerfrauen ein würdiges Denkmal gesetzt.

Untergliedert ist das Buch in fünf Kapitel und enthält nicht zuletzt viele Zeitzeuginnen-Berichte. Diese Kapitel tragen die Titel:

Das Land versinkt im Chaos
Kampf ums tägliche Brot
Überleben in Ruinen
Hoffnung auf den Neubeginn
Neue Rollen, alte Muster

Ich habe das Buch nicht in einem durchgelesen, sondern mir immer wieder eine paar Tage Zeit gelassen, da mich die Texte sehr schmerzten, nicht nur weil sich viele Berichte mit den Erzählungen meiner Großmütter, meiner Großtanten, meiner Mutter und meiner Tanten, die alle aus dem Osten vertrieben wurden, decken. Ich glaube, dass wir Töchter jener Mütter und Großmütter eine besondere Pflicht haben, diesen Frauen Freude zu schenken, weil sie so Schreckliches erlebt haben. Dies erkennt man spätestens dann, wenn man verstanden hat, was diese Frauen geschultert haben.

Man liest vom Todesmarsch der Breslauer Mütter, liest den Brief einer jungen Breslauerin an ihre Mutter, in dem sie berichtet, wie ihr Kind in ihren Armen bei 20 Grad minus im Freien erfriert. Man liest von Flucht und Vertreibung, von einer Tragödie, die ich mich scheue, an dieser Stelle in knappen Worten wiederzugeben. All die Kinder, die in eisiger Kälte erfroren sind....schrecklich, unvorstellbar.

Thematisiert wird auch die Ankunft in der Fremde, die Vergewaltigungen von rund 2 Millionen Frauen durch die Soldaten der Roten Armee. Es werden Bilder gezeigt, die verdeutlichen, wie russische Besatzungssoldaten in Berlin Frauen auf offener Straße demütigten, bevor sie sich ihrer bemächtigten. Um Macht geht es immer bei Vergewaltigungen wie man weiß und Sieger demonstrieren nach Kriegen ihre Macht am liebsten an Frauen, weil ihnen das offenbar den größten Lustgewinn verspricht. Natürlich muss man alles vor dem Hintergrund sehen, dass die Nazis im Osten wie die Berserker gewütet haben und das Tun der Russen dem Rachegedanken entsprang. Für die betroffenen Frauen war dies schwer nachvollziehbar und ich begreife durchaus, das manche Frauen Jahre brauchten, um das zu verstehen.

Thematisiert wird die Vertreibung aus Schlesien, auch aus Polen und man hat Gelegenheit einen Originaltext von Gräfin Dönhoff zu lesen, in dem sie von ihren Flucht-Erfahrungen aus Ostpreußen berichtet. Auch andere Persönlichkeiten im Buch schreiben von der Flucht und Vertreibung aus dem Osten und ihren Erfahrungen nach dem Krieg und das in berührender Weise.

In der Folge wird der Kampf um das tägliche Brot näher beschrieben, auch von der Zuteilung von Lebensmittelkarten, von Kartoffelfeldern mitten in Berlin, den Hamstertouren, dem Schwarzmarkt und schließlich dem Hungerwinter 1946/47 und über das Überleben in den Ruinen kann man Aufschlussreiches lesen, wie auch über das tägliche Tun der Trümmerfrauen. Nicht vergessen werden darf, dass die zerbombten Städte in Deutschland eine leider notwendige Maßnahme seitens der Alliierten war, dem Terror der Nazis ein Ende zu setzen. Vielen Frauen war dies bewusst, wie das Buch verdeutlicht und sie wollten nicht zurückblicken, sondern ihr Jetzt durch den erneuten Aufbau einfach rasch wieder menschenwürdiger gestalten. Das kann ich nachvollziehen. Wenn man knietief in existenziellen Problemen steckt, bleibt keine Zeit zu trauern.

Man liest von der Sehnsucht der Frauen nach Schönheit,  auch von der Beziehung mit GIs und man versteht, dass die jungen Frauen einfach ein wenig Freude haben wollten, wenn sie im "Amerika-Haus" nach dem Alltag des Steineklopfens tanzen gingen und Freundschaften zu amerikanischen Soldaten unterhielten oder einfach nur eine Möglichkeit suchten, satt zu werden.

In der Folge erfährt man, wie die Frauen begannen sich für die Demokratie einzusetzen. In diesem Zusammenhang erzählt die Zeitzeugin Hildegard Hamm-Brücher, die am 11.Mai ihren 90. Geburtstag feiern wird, sehr packend aus ihrem Leben, bevor ganz zum Schluss über die Mütter des Grundgesetzes und den Kampf um die Gleichberechtigung berichtet wird.

Ein sehr gutes Buch über die Sorgen und Nöte, aber auch über die Tapferkeit und den Mut von Frauen, die es nicht einfach hatten, in einer Zeit, wo Männer sich noch schriftlich damit einverstanden erklären mussten, dass ihre Frauen studieren durften.

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