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Rezension: Limes: Roms Grenzwall gegen die Barbaren (Gebundene Ausgabe)

Die Autorin Gisela Graichen befasst sich in diesem Buch nachhaltig mit dem römischen Grenzwall Limes.
Der Limes (gleichbedeutend mit Grenze) kennzeichnet ursprünglich einen geraden, scharf abgegrenzten Geländestreifen. Solche Streifen legte das römische Heer an, wenn es in feindliches Gebiet einmarschierte. Eingeebnetes Gelände neben den schmalen Wegen sicherte vor plötzlichen Überfällen. Mit dem Ausbau des obergermanisch-rätischen Limes unter dem römischen Kaiser Domitian wurde die Grenzlinie zwischen den germanischen Stämmen und den Römern an Rhein und Donau befestigt.

Zur Zeit des Tiberius bildete der Rhein die Grenze. Vom Bodensee zog sie sich nördlich auf die Donau zu, sodass römische Truppen einen Umweg von etwa sechs bis sieben Tagesmärschen machen mussten.
Die römische Expansion schaffte eine direkte Verbindung zwischen den Stellungen am Rhein und an der Donau. Zeitgleich verschob sich die Grenze vom Mittelrhein ostwärts. Während die Legionen am Rhein stationiert blieben, besetzten die Hilfstruppen, die Auxilarkohorten, weitere Gebiete. Die neue Linie wurde durch eingeebnete Geländestreifen und durch Kastelle gesichert und bildete die vorderste Grenze zum Limes.
An den quer zu den Einfallstraßen der römischen Vorstöße angelegten Verteidigungslinien entstand die äußerste Grenze des Reiches.


Der Limes wurde möglichst auf ansteigendem Gelände errichtet, um von der Anlage einen Ausblick auf das Vorland zu haben und von dem abfallenden Gebiet zeitgleich als militärischen Schutz zu profitieren. An besonders hoch gelegenen Stellen wurden Wachtürme errichtet, so dass ein Signaldienst zwischen den Standorten möglich war. Die Türme standen in einem Abstand von etwa 500m bis zu 1500 m. Es handelt sich um quadratische Holzbauten mit einer Seitenlänge von 4 bis 5 Metern. Die Eckpfosten sind weit in den Boden eingelassen. Ein drei bis vier Meter breiter nach unten spitz zulaufender Graben umgibt die Wachtürme. Zusätzlich steht vor jedem Graben ein Palisadenzaun. Die Mannschaften der Wachtürme hatten die Aufgabe, das vor dem Wall liegende Grenzgebiet ständig zu beobachten, um feindliche Truppenansammlungen rechtzeitig zu melden.


Während ihrer Wachtätigkeit lebten die Legionäre in kleinen Erdkastellen, die zusätzlich von einem Graben und einem Palisadenzaun umfasst waren. Die eigentliche militärische Verteidigungslinie lang im Hinterland des Grenzwalls. In großen Kastellen waren als Hauptstreitmacht die Auxilarkohorten, d.h. Hilfstruppen der Legionen untergebracht. Bei Angriffen leistete die Limesbesatzung zunächst nur hinhaltenden Widerstand. Die Auxilarkohorten nahmen die zurückflutenden Turmwächter in ihre Schlachtreihen auf und begingen ihrerseits die Offensive. Thematisiert wird im Buch auch wie dieser Grenzwall mit einem Luftschiff von Schottland bis zu Mittelmeer abgefahren und gefilmt wurde. Oberirdisch blieben übrigens nur geringe Spuren von den rund 900 Wachtürmen und Kastellen des Limes erhalten.


Die Deutsche Limeskommission verfügt über eine bis ins Detail exakte Kartendarstellung, Maßstab 1:10000. Die Limes-Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinlandpfalz haben diese Karte erarbeitet. Geholfen haben dabei moderne Methoden wie geoelektrische und geomagnetische Messungen.
Die neuere Erforschung mit modernsten Methoden finde ich äußerst interessant beschrieben, gefallen haben mir neben der generell eloquenten Texten die vielen Fotos , darunter auch solche von der Saalburg in der Nähe von Bad Homburg, die idyllisch im Taunus gelegen ist und die es sich zu besuchen lohnt.

Rezension: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland

"Hexen und Hexenprozesse in Deutschland" thematisiert wo und wann Hexenverfolgungen stattfanden, was die Hexenverfolger und ihre Gegner dachten, aber auch , was die als Hexen verdächtigten Personen zu Protokoll gaben, und wie sich die Thematik in Predigten, Gesetzestexten, Zeitungen und in der Literatur niederschlugen.
Eine Hexe war im Volksglauben eine zauberkundige Frau mit magischen Kräften. In Märchen erscheint sie als Schreckensgestalt mit abstoßendem Äußeren.

Der Hexenbegriff des Mittelalters entstand aus ursprünglich nicht zusammengehörenden Elementen des Aberglaubens ( z.B. Luftflug, Schadenszauber) , der christlichen Dämonologie und Straftatbeständen der Inquisition.
Behringer, der Herausgeber des Buches, untergliedert seine Dokumente in sieben Kapitel, die den gesamten Irrsinn darlegen, der aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar ist.

Der ausgesprochene Hexenwahn vom 14. bis 17. Jahrhundert ist ein sozialpsychologisches Phänomen des Spät-Mittelalters und der frühen Neuzeit. Er blieb auf das christlich-abendländische Europa begrenzt. Judentum, Islam und die orthodoxe Kirche kannten keine Verdammung von Hexen und Exzesse gegen diese. Der Umbruch der geistigen , religiösen und politischen Verhältnisse am Ausgang des Mittelalters brachte Unsicherheit aller Art mit sich und die Menschen , besonders Mitteleuropas, sahen die Teufelsherrschaft der erwarteten Endzeit anbrechen.

Im Deutschland beginnt die Zeit des Hexenwahns um 1550. Das etwa 100 Jahre andauernde " eiserne Zeitalter " fordert mehr als 300 000 Menschenopfer. Der überwiegende Teil der Verfolgten sind Frauen. Erschreckend ist die im Buch aufgeführte Hinrichtungsstatistik Würzburg von 1627 bis 1629.

Schon im Mittelalter wurden von der Inquisition vereinzelt Hexen hingerichtet. Papst Innozenz beauftragte 1484 die beiden deutschen Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger in Deutschland gegen Zauberer und Hexen vorzugehen. Drei Jahre später verfassten die beiden den "Hexenhammer" (Malleus Maleficarum) . Der Inhalt ist vorliegendem Buch zu entnehmen. Richter und Hexenverfolger erhielten dadurch Argumentationshilfen und präzise Anweisungen, wie gegen die Hexen vorzugehen sei.

In erster Linie wurden zunächst Hebammen, alleinstehende, sozial nicht abgesicherte Frauen und Kräuterfrauen verfolgt, bald schon genügte eine anonyme Verdächtigung, um den Mechanismus von Verhaftung, Verhör, Folter und Hinrichtung einzuleiten. Wie dies im Einzelnen funktionierte wird in einem Kapitel des Buchs ausführlich dargelegt.

Niemand war vor der einer Anklage geschützt. Auffallende Schönheit war genauso ein Verdachtsmoment wie körperliche Missbildung. Besonderer Reichtum von Frauen galt ebenso als Hinweis auf Hexerei wie Armut. In einigen süddeutschen Dörfern wurde fast die gesamte weibliche Bevölkerung hingerichtet.

Die Hexenverfolger haben angebliche Beweise für die größere Anfälligkeit der Frau gegenüber den Verführungen des Teufels. Man behauptet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts dazu neigen gegen die Macht Gottes und die Hierarchie der Gesellschaft zu verstoßen. Demnach stellen sie eine Gefahr für die weltliche und religiöse Ordnung dar.

Sie schließen, wie man den Texten entnehmen kann, einen Pakt mit dem Teufel, üben schändliche Zaubereien aus und verführen durch ihre erotische Ausstrahlung Männer zum Unheil. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie den Mann seiner Vernunft und seines Urteilsvermögens berauben. Der Bereich der Sexualität spielt eine zentrale Rolle bei den Vorwürfen, die gegen die Frauen erhoben werden. Man verdächtigt sie Unfruchtbarkeit hervorzurufen, männliche Glieder wegzuhexen und erotische Exzesse mit dem Teufel zu begehen. Der Hexenhammer machte es möglich, dass anstelle der Anklage die Denunziation genügte, zudem die Folter und Hexenproben ermöglicht wurden.

Die Hexenprozesse wurden Strafverfahren gemischter Zuständigkeiten kirchlicher und weltlicher Gewalten. Im Buch werden die Verfolgungswellen präzise dargestellt.
Aufgeführt ist auch das vorgegebene Frageschema für Hexenprozesse von 1590 und diverse Protokolle, so etwa das Protokoll des Verhörs der Barbara Kurzhalsin und eine Fülle anderer Schreckenszeugnisse männlichen Verfolgenswahns.

Auch über Katharina Henot liest man, die sich bis zu ihrer Hinrichtung weigert, ein Schuldgeständnis abzulegen. Katharina Henot war eine der vielen Frauen , die im Zuge der Hexenverfolgung aus wirtschaftlichen Gründen sterben mussten.
In den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts wird die Hexerei allmählich auch in protestantischen Gebieten, wie 1572 in Sachsen, zum Kapitalverbrechen erklärt. Durch diese Regelung ist den meisten angeklagten Frauen der Tod auf dem Scheiterhaufen durch verbrennen bei lebendigem Leib gewiss. Selbst Martin Luther vertritt ein Hexenbild, das dem der Inquisition in nichts nachsteht, wie man den Texten entnehmen kann.

In Hexenprozessen ist die "peinliche Befragung " das übliche Mittel schweigende und leugnende Frauen zum Geständnis zu zwingen. Wie die Dokumente deutlich machen, können fünf Grade der Tortur angewendet werden. Viele der angeklagten Frauen sterben bereits während der Folter. Ist eine Frau während der Tortur nicht geständig, so wird dies nicht als Zeichen ihrer Unschuld, sondern als Verstocktheit gewertet. Die Fragenkataloge entlarven die sexuellen Phantasien der Richter.

Zur Sprache kommt auch das großartige Engagement des geistlichen Friedrich von Spee, der als Beichtvater viele Hexenprozesse miterlebte und in seiner Schrift " Cautio criminalis" die Grausamkeit der Prozessverfahren gegen Hexen anklagte.
Allmählich kam es zu einem Umdenken. 1793 wurde die letzte Frau als Hexe in Posen verbrannt.

Trotz der Lektüre der Dokumente werde ich wohl nie verstehen, wie mitleidslos man mit all diesen unschuldigen Frauen verfahren ist und weshalb man solch einen Schwachsinn glaubte.

Rezension:Geo Epoche (mit DVD): Geo Epoche 35/2009: Die Welt im Jahr 1000. Heft und DVD (Broschiert)

Die Jubiläumsausgabe der Geo Epoche sollte man sich nicht entgehen lassen. Vorgestellt wird in diesem hochinformativen Magazin für Geschichte die Welt im Jahr 1000. 18 Text-Beiträge, die jeweils von vielen Bildern begleitet werden, zeigen die weltweiten Facetten der damaligen Zeit auf. Zu Beginn kann man sich mittels eines bemerkenswerten Bildessays einen Eindruck über berühmte Bauwerke jener Zeit verschaffen.
Baumeister und Architekten der unterschiedlichsten Kulturen schufen um das Ende des ersten Millenniums gewaltige Festungswerke, himmelstürmende Kirchen, Paläste und Tempel.


Man erhält u.a. visuell einen Eindruck vom Speyerer Dom, vom Benediktinerkloster von Pomposa nahe der Po-Mündung, von der Abtei von Jumieges in der Normandie, von der Pyramide des Zauberers in Uxmál im Westen Yucatáns, von dem "Tempel der Jaguare" in Chichén Itza, von der Stadt Poeblo Bonita in Nordamerika, die in jenen Tagen ihre Blütezeit hatte, von dem Shiva-Heiligtum in der Nähe von Angkor Wat, von der "Eisernen Pagode" in Kaifeng, einem luxuriösen Landsitz eines Adeligen vor den Toren Heian-kyos, von verschiedenen Tempeln in Indien, vom Haus der Steine in Afrika, von der Sophienkathedrale in Nowgorod und anderen beeindruckenden Bauten mehr.

Ein interessanter Bericht über Otto III zeigt mit welchem Problem der damalige König von Deutschland und Italien und Kaiser des Römischen Reiches zu kämpfen hatte. Sein Ziel war es den Glanz und die Macht des Imperiums Romanum zu erneuern. Sein ehrgeiziges Projekt wurde allerdings von den Adeligen Roms abgelehnt, weil sie befürchteten, dass ihre Macht hierdurch geschmälert würde. Dr. Ralf Berhorst berichtet in seinem Essay über den Verlauf der Geschehnisse. Man liest des Weiteren von der Schlacht von Hastings im Jahre 1066, dem Triumph der Nordmänner und dem Tod des letzten angelsächsischen Herrschers .
Al-Andalus ist ein Thema. Zur Sprache kommen Códoba, die Residenz des Kalifen von al Andalus, dem muslimischen Teil der Iberischen Halbinsel, die luxuriösen Paläste, mächtigen Gotteshäuser und Bibliotheken mit Hunderttausenden von Bänden.

Die Heere des Kalifats haben damals Barcelona, León und Santiago de Compostela erstürmt. Obgleich das Kalifat sehr mächtig war, zerbrach es aber nach dem Tod des Diktators kurz nach dem Jahrtausendwechsel aufgrund eines Bürgerkrieges. Berichtet wird von unterschiedlichen Kalendersystemen in jener Zeit, vom Reich in Gana, dem damals mächtigsten Imperium südlich der Sahara, das durch den Handel mit Salz, Sklaven und Gold wohlhabend wurde, doch eines Tages islamische Invasoren anlockte. Leif Erikson wird spannend thematisiert, der damals von seiner Heimat Grönland aus gen Westen fuhr und eine Küste entdeckte, die er "Vinland"( Weideland) nannte. Erikson war der erste Weiße, der lange vor Kolumbus Amerika erreichte.

Mit großem Interesse las ich den Bericht über Chichén Itzá, das ich als Studentin einst besucht habe. Es handelt sich dabei um die wohl prächtigste Stadt der Maya-Kultur inmitten des Dornbuschwaldes von Yucatán. Die Bewohner dieser Stadt glaubten an die Allmacht der Götter, insbesondere der gefiederten Schlange und brachten grausame Opfer, um diese zu besänftigen. Damals lebten etwa 500 000 Menschen in der Metropole,dessen Zentrum einen Ballspielplatz, prachtvolle Pyramiden, Tempel, Residenzen und Regierungsgebäude beherbergt. Im Text liest man ausführlich von den Lebensgewohnheiten der Mayas in jenen Tagen und in diesem Zusammenhang von den vielen Menschenopfern, mit denen man den Göttern huldigte.

Die Stadt des "Falkenfürsten" hieß Cahokia. Sie war die erste Metropole Noramerikas, erschaffen gegen 1000 n. Chr, von Indianern auf einer Ebene am Mississippi. Die Architektur der Stadt spiegelte die gesellschaftliche Ordung wider. Der Tempelberg mit dem Fürstensitz überragte die auf niedrigeren, abgeflachten Pyramiden errichteten Häuser der Oberschicht und die ebenerdigen Hütten der Bauern und der Handwerker. Gelungen ist der Bericht über das Rätsel der Steinköpfe der Osterinsel. Es erstaunt immer wieder zu welchen Leistungen Menschen in der Lage sind.

Man wird auch über das Kriegshandwerk in jener Zeit aufgeklärt, in der die Chinesen schon das Schwarzpulver benutzen und die Byzantiner bereits Flammenwerfer einsetzen. Mittels der Neuerungen Hufeisen und Steigbügel war es gepanzerten Reitern nun möglich über die Schlachtfelder Europas und Asiens zu stürmen.
Thematisiert werden kriegerische Mönche in Japan um 1000 n. Chr., die Song -Dynatie in China, die aus diesem Land die wohlhabendste und technisch fortschrittlichste Zivilisation ihrer Zeit machte.
Die Songs förderten besonders die Bildung und ersetzten die Macht des Militärs durch einen Beamtenstaat. Der Druck mit beweglichen Lettern wurde erfunden und es erschienen dort bereits Bücher in Millionenauflage.
Es folgt ein bemerkenswerter Bericht über den Universalgelehrten und größten Arzt seiner Zeit Avicenna. Dieser aus Buchara stammende Mann interessierte sich für Astronomie, Medizin, Literatur, Recht, Physik und Philosophie. Einem Bericht über das geheimnisvolle Steppenreich der Juden in Südrussland und den Umbrüchen in der Landwirtschaft, auch in Europa damals folgt eine Darstellung der Bulgarenkriege von Byzanz. Konstantinopel, die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches besaß mehr Schätze, Gold und Reliquien als jede andere Stadt der Christenheit. Die Bulgaren lehnen sich gegen die byzantinische Herrschaft immer wieder auf, doch 1012 besiegt der byzantinische Kaiser Basileios II. die Truppen des bulgarischen Herrschers Samuel.

Auf den letzten Seiten erhält man einen sehr guten chronologischen Überblick über die Zeitläufte.
Die beigefügte DVD visualisiert hervorragend die eloquenten Texte des Magazins.

Eine überaus gelungene Jubiläumsausgabe. Bravo

Rezension:Letzte Briefe: Bericht aus Deutschland im Jahre 1943. Letzte Briefe aus dem Gefängnis Tegel 1945 (Taschenbuch)

Der Jurist und Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke (1907-1945) gründete nach 1933 den "Kreisauer Kreis", dessen Mittelpunkt er war. Gräfin Freya von Moltke, die Witwe des in Plötzensee durch die Nazis hingerichteten Aristokraten mit enormer Zivilcourage schreibt, dass es sich zunächst um einen Freundeskreis gehandelt habe, der sich einig war in der Auflehnung gegen Hitler und sein Regime.
Mit der Zeit wurde es ein Kreis von Menschen, die über die Zeit hinaus in die Zukunft schauten und nach neuen Wegen suchten. Die Pläne der Mitglieder des Kreises waren weder endgültig, noch sind sie in letzter Fassung erhalten geblieben. Es handelte sich bei diesen Plänen um kein theoretisches Programm, sondern es wird nur deutlich, wie sich Katholiken, Protestanten, Sozialisten und Männer ganz verschiedener geistiger Herkunft zusammengefunden hatten. Obschon ihr Rahmen weit war, gelang die Einigung über eine gemeinsame Grundlage.

Die Einführung zu den Briefen von Moltkes aus dem Jahre 1943/44 hat Freya von Moltke geschrieben. Sie vermittelt dort biographische Eckdaten ihres Gatten, von dem sie sagt, dass er politisch links stand, an die Zukunft des Sozialismus glaubte und den Krieg und das Kriegshandwerk hasste. Ihr Mann sei es gewohnt gewesen über Deutschland hinauszudenken. Sein Kampf sei nie national gewesen, weil er wusste, dass Exzess, Rassenverfolgung, Glaubenslosigkeit und Gewalt, die der NS-Staat kultiviert hatte, nicht zwingend deutscher Wesensart entspringt, sondern in individuellen Persönlichkeitsdefiziten begründet liegt. Deshalb auch habe er sie als Übel der gesamten Menschheit bekämpft.

Der Kreisauer Kreis stand am 20.7. 1944 in der Mehrheit hinter Stauffenberg. Nachdem der Staatsstreich misslungen war, stellte die Gestapo fest, das von Moltke dem Kreis angehörte. Man klagte ihn des Hochverrates an, verurteilte ihn am 12.1. zum Tode. Am 23.1.1945 wurde er dann hingerichtet.

1943 beklagt er in einem seiner Briefe an seinen Freund Lionel Curtis , dass der Mangel an Kommunikation im Naziregime das Schlimmste sei. Die Geheimpolizei hatte alles unter Kontrolle. " Können Sie sich vorstellen, was es heißt, wenn man: Nicht einmal mit den Menschen sprechen kann, mit denen man vollständig übereinstimmt, weil die Geheimpolizei Methoden der Befragung hat, durch die zunächst der Wille gebrochen, der Verstand aber wach gelassen wird. Auf diese Weise wird das Opfer dazu gebracht, alles auszusagen, was es weiß. Darum muss man Mitteilungen auf die beschränken, die sie unbedingt brauchen. " Im selben Brief spricht von Moltke die Gräueltaten in den Konzentrationslagern an und erwähnt u.a.: " Wir haben vom Bau eines großen Konzentrationslagers in Oberschlesien gehört, welches für 40- 50 000 Menschen angelegt ist, von denen monatlich 3-4000 getötet werden...." Die rasenden Guillotinen schlug auch in der Opposition erbarmungslos zu, wie von Moltke schreibt. Er lobt die Kirchen, die im Widerstand tätig waren und analysiert:" allgemeinen ist der Mittelstand Nazi oder von irgendeiner Form des Totalitarismus in hohem Maße infiziert. "

Sehr berührend sind seine letzten Briefe, die er aus dem Gefängnis Tegel schrieb.

Helmuth James von Moltke resümiert: " Ich habe mein Leben lang gegen einen Geist der Enge und der Gewalt, der Überheblichkeit, der Intoleranz und des Absoluten, erbarmungslos Konsequenten angekämpft. Ich habe mich auch dafür eingesetzt, dass dieser Geist mit seinen schlimmen Folgeerscheinungen wie Nationalismus im Exzess, Rassenverfolgung, Materialismus überwunden wird. Insofern haben die Nationalsozialisten recht, dass sie mich umbringen. "

Ein wahrlich edler, mutiger, reflektierter Mensch mit viel Herz, vor dem ich mich zutiefst verneige.

Rezension:Ein schöner Tag zum Sterben: Als Bundeswehrärztin in Afghanistan (Gebundene Ausgabe)

Die Notärztin Heike Gross zeigt in ihrem Buch anhand von persönlichen Einsätzen als Sanitätsoffizier der Bundeswehr, die Umstände und Problematiken, die die deutschen Soldaten bei ihren Friedenseinsätzen in Afghanistan erleben. Da alle diese Einsätze unter persönlicher Lebensbedrohung stattfinden, hat sich der Ernst dieser Aufgabe dramatisch gesteigert. Die Bundeswehr hatte bis dahin keine größere Erfahrung mit solchen Einsätzen gemacht, was natürlich auch ein völlig veränderte psychische und mentale Betreuung des militärischen Personals erfordert hat.

Gross reflektiert in ihrem Buch das Pro und Contra derartiger Einsätze, die von ihr in ihrer ganzen Dramatik dargestellt werden. Die Auswirkung auf ihr gesamtes Lebensumfeld wird durch sie ebenfalls ausführlich geschildert. Nicht nur, dass ihr Familienleben drastisch gelitten hat, sondern sie hat auch große seelische Schwierigkeiten ihre Erfahrungen zu verarbeiten, den den Einsatz nach Bombenattentaten, Luftangriffen und Überfällen seitens der Taliban mit sich gebracht hat.


Am Ende stand ihre Entscheidung die Bundeswehr zu verlassen und in Neuseeland gemeinsam mit ihren Kindern ein neues Leben zu beginnen, um Abstand von den Gräuel des Krieges, von den zermürbenden Einsätzen in Afghanistan, vom Verlust ihrer liebgewonnenen Kameraden zu gewinnen, mit denen sie eine verlässliche Gemeinschaft gebildet hat.


Hinter all dem steht die Frage, ob die Einsätze der Bundeswehr am Hindukusch, die vielen Toten und die verheerenden psychischen Dauerschäden junger Menschen rechtfertigt. Ich denke sie tun es auf keinen Fall.


Dieses Buch ist sehr lesenswert und ermöglicht bisher nicht bekannte Eindrücke aus der Sicht von Bundeswehrangehörigen, die die Entscheidung der politischen Führung auf ihrem Buckel zu tragen haben.

Rezension: Das Peter-Prinzip

Ein Jahrhundertbuch, das das Dilemma in Politik und Wirtschaft  unmissverständlich klar macht.


Peter u. Hull stellen in diesem Buch die These auf:
"In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen."(Peter-Prinzip)

Geprägt wurde der Begriff "Hierarchie" vormals, um ein System kirchlicher Herrschaft zu beschreiben, bei dem die Priester entsprechend ihrem Rang eingestuft waren. Heute versteht man unter dem Begriff jede Organisation, deren Mitglieder oder Beschäftigte nach Rang, Würde oder Klassenzugehörigkeit eingestuft sind. Jeder, der dem Geschäftleben, der Industrie, der Politik, den Gewerkschaften, den Streitkräften, den Kirchen oder dem Erziehungswesen angehört, ist hierarchischen Strukturen ausgeliefert.

Die Autoren gehen davon aus, dass die Folge des Peter-Prinzips darin zu sehen ist, dass nach einer gewissen Zeit innerhalb einer Hierarchie jede Position von einem Mitarbeiter besetzt wird, der unfähig ist, seine Aufgaben zu erfüllen.

Die anstehende Arbeit wird von den Mitarbeitern erledigt, die ihre Stufe der Inkompetenz noch nicht erreicht haben. Die Autoren zeigen anhand von Beispielen wie der Aufstieg in Hierarchien üblicherweise verläuft, weisen auch auf scheinbare Abweichungen hin, machen aber deutlich, dass es in Wahrheit keine Abweichungen gibt. Das Peter-Prinzip ist stets auf alle Beschäftigten anwendbar.

Die Autoren verdeutlichen, auf welche Weise man den Aufstieg in einer Hierarchie beschleunigen kann und nennen als erstes Kriterium die Protektion. Es handelt sich hierbei um die Beziehung des Beschäftigten durch Blutsverwandtschaft, Heirat oder Bekanntschaft. Als nächstes Kriterium nennen die Autoren den Ehrgeiz und machen deutlich, dass Personen nur solange etwas leisten solange sie noch nicht ihre Stufe der Unfähigkeit erreicht haben.

Thematisiert wird das Kriterium Gefolgsleute und Führer. Veranschaulicht wird, dass Personen, die ohne wirkliche Führungsqualitäten, an der Spitze stehen, stets in Furcht und Schrecken leben (Hypercaninophobia- Komplex), wenn eine Person mit Führungsqualitäten im System auftaucht.

Im Anschluss an diese Betrachtungen erfährt man Einiges zur Psychologie der Hierarchologie. Hier zeigen die Autoren auf, dass immer dann, wenn in einer Hierarchie unvermutet fähige Personen anzutreffen sind, es offensichtlich in dieser dieser Hierarchie nicht genügend Rangstufen gibt, um die Stufe der Unfähigkeit zu erreichen. Personen mit eindeutiger Gipfelfähigkeit wechseln zumeist in andere Hierarchien, um dort die Stufe der Unfähigkeit anzustreben, die ihnen in der alten Hierarchie nicht vergönnt war.

Thematisiert wird des Weiteren die Pathologie des Erfolges, die nichtmedizinischen Merkmale der Endplazierung, wie etwa Ordnungswahn, die Phonophilie, Selbstmitleid, Änderungszwang, etc.. Interessant, wie Personen agieren, die die Stufe ihrer Unfähigkeit erreicht haben. Ihre Aktivitäten sind bloße Ersatzhandlungen, weil wirkliches Engagement sich nicht mehr lohnt für Menschen, die nicht aus Liebe zur Sache etwas tun, sondern nur aus Rangversessenheit etwas getan haben. Diese Menschen verurteilen sich zur schöpferischen Unfähigkeit.

Um seine schöpferischen Fähigkeiten zu behalten, sollte man sich bemühen nicht die Endplazierung zu erreichen, weil ein gedankenloser Aufstieg ins Nichts sich kontraproduktiv auf die eigene Kreativität auswirkt.

Dr.Peter und Hulls Erkenntnisse sind nach 40 Jahren immer noch nicht veraltet. Sehr bemerkenswert.














Rezension: Clausewitz: Strategie Denken

Die Chefstrategen des Strategieinstituts der Bosten Consulting Group zeigen in diesem Buch, gut nachvollziehbar, dass die strategischen Erwägungen des preussischen Kriegsphilosophen Carl von Clausewitz nicht nur im Krieg, sondern auch in der Wirtschaft und Politik von Nutzen sind, wobei die Autoren betonen, dass Wirtschaft nicht mit Krieg gleichgesetzt werden darf.

Was man unter dem Begriff " Strategie " im Sinne von Clausewitz zu verstehen hat, erläutern die Verfasser des Textes detailliert. Dabei wird man gleich zu Beginn in Kenntnis gesetzt, auf welche Weise Strategie sich von Taktik unterscheidet.Während die Strategie den - sozusagen - wohlüberlegten Weg darstellt, den man gehen muß, um ein angestrebtes Ziel zu erreichen, versteht man unter Taktik Maßnahmen unterschiedlichster Art, um ungestört besagten Weg gehen zu können.

Der Raum der Strategie (hier ist der erklärte Wille ein entscheidender Punkt) und das dahingehende Denken, sowie die notwendigen Tugenden, wie etwa Selbstdisziplin, werden dem Leser anhand von Originaltexten aus Schriften des Herrn von Clausewitz nahe gebracht. Unterlegt sind die Betrachtungen mit konkreten Beispielen von Schlachten, welche die Strategen Friedrich der Große und Napoleon I einst geführt haben. Neugierig horcht man auf, was Clausewitz vor fast zweihundert Jahren zur Konzentration der Kräfte im Raum zu sagen hatte, in welcher Weise er über Allianzen reflektiert, über Angriff und Verteidigung spricht, die Arten der Kriegsführung in ihrer Gesamtheit auslotet und man beginnt in der Folge zu überlegen, ob das hier Gedachte, über die Zeiträume hinweg , heute noch tauglich ist, zudem in völlig anderen Aktionsbereichen.

Strategisches Handeln wird in diesem Buch als ein in erster Linie psychologisch subtiles Agieren dargestellt , das präzise gesteuert wird von der Logik und Vernunft, um damit ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der geniale Stratege ist demnach eine Person, die kenntnisreich sowie überlegt neue Wege geht und dadurch schließlich zu herausragenden Leistungen jedwelcher Art fähig ist. Wenn es sich hierbei um nicht kriegerische Meriten handelt, kann gegen die Umsetzung der Clausewitz'schen Philosophie im Hier und Heute im Grunde zunächst nichts einzuwenden sein.




Rezension: Roger de Weck- Nach der Krise

Auf dem Klappentext dieses hervorragenden kleinen Büchleins erfährt der interessierte Leser, dass das Wirtschaftsystem versagt hat und die Krise allgegenwertig ist. Es handele sich hierbei um eine Krise der Finanz, der Wirtschaftsführer, der Politik und der Medien- dahinter stehe eine Wertekrise. Dieser Analyse konnte ich sofort zustimmen, kaufte mir das Buch, das verdeutlicht, dass eine öko-soziale Marktwirtschaft die wirklich sinnvolle Alternative zum derzeit herrschenden Kasinokapitalismus darstellt.


Der Volkswirt Roger de Weck, Moderator der Fernsehsendung "Sternstunden Philosophie" und ehemaliger Chefredakteur der Zeit vergisst in seinem Essay nicht Joseph Schumpeter zu erwähnen, der 1947 bereits die "unvermeidliche Auflösung der kapitalistischen Gesellschaft" vorraussagte. Schumpeter bereits analysierte, dass der Wechsel vom herkömmlichen Unternehmer, der Eigentümer einer Firma ist und persönlich hafte, zum Manager in "Angestelltenhaltung" fatal sei. Der Grund, so der österreichische Ökonom, bestehe darin, dass die bezahlten Direktoren und Unterdirektoren nur an sich dächten, anstelle die Interessen der Aktionäre und des Unternehmens zu vertreten. Allerdings betrachtete Schumpeter auch die kleinen Aktionäre und Finanzinvestoren für Pseudoeigentümer, die weder dem Unternehmen, noch dessen langfristigem Wohl verbunden seien (vgl: S. 97).

De Weck begreift Schumpeters Analyse weniger als moralisches Urteil als ein eine politische Analyse. Er hält in der Folge fest, dass der Konzernkapitalismus zu systematischer Verantwortungslosigkeit treibt. Skrupellosigkeit, Gleichgültigkeit, Gier, Menschenverachtung und Eigennutzdenken sind mit dem Kasinokapitalismus eng verbunden. "Das moralische Empfinden schwand in der Zeit vor der Krise unaufhaltsam" (Zitat de Weck S. 98) . Ich zitiere diesen Satz bewusst, weil er sich mit meinen Beobachtungen in den letzten Jahren 100% ig deckt.

Der Autor verdeutlicht zu Anfang des Buches, dass 1989 die Furcht der Oberschicht schwand, dass unzufriedene Bürger "zu den Kommunisten" überlaufen würden. Fortan hegten und pflegten viele Regierungen diese"globale Klasse" (Ralf Dahrendorf). De Weck zählt den Bonus, den die öffentliche Hand den Managern und Investoren angeboten hat auf." Steuerpauschalen für Superreiche, Steuergeschenke an vielreisende Geschäftleute, Steuerrabatte für Hedge-Fonds-Manager, clevere Steuermodelle und weitere Möglichkeiten der Steuervermeidung oder schlicht der- hinterziehung" (vgl.S. 13).


Da die Krise des Kapitals kapitale Staatskrisen hervorrufen kann, ist es unumgänglich, so de Weck, dass man sich Mechanismen zu Mäßigung von Gier überlegt, indem man beispielsweise die steuerlichen Privilegien für Kapital abbaut. Wenn die Börse zum Dreh- und Angelpunkt einer Gesellschaft wird, prägt diese ihre Mentalität. Finanzoligarchen zwingen den Staat, ihr in der Krise verwirktes Eigentum auf Kosten der Allgemeinheit zu schützen. Der Autor meint zu Recht, dass in einem demokratischen Kapitalismus der Vorrang der Demokratie vor der Ökonmie stehen müsse und auf diese Weise die Übermacht der Finanzwelt gebrochen werden könne.


Ich teile nicht die Meinung Roger de Wecks, dass eine höhere Dotierung der Staatsdiener diese unabhänger von den Machenschaften der Kasinokapitalisten machen würde, sondern ich bin der Ansicht, dass dies nur durch ein verändertes Wertedenken herbeigeführt werden kann. Ultraliberale, resümiert der Autor, haben die bürgerlichen Werte zerrüttet. Seither gelten die alten Tugenden von Kaufleuten wie etwa Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, langfristige Geschäftbeziehungen, Kontinuität, Vertrauen und Rücksicht nicht mehr. Durch Zielgrößen wie Dynamik, Innovation und kurzfristiger Profit sind diese wichtigen Werte ersetzt worden und hinterlassen überall nichts anderes als verbrannte Erde.


Roger de Weck, der für einen öko-demokratischen Kapitalismus wirbt, weiß, dass man Spekulation, wo sie Schaden stiftet verbieten und seitens des Staates massive Gehalts-und Bonusexesse abstrafen muss. Er hält deshalb fest:" Die Politik darf sich nicht damit begnügen, strenge Spielregeln für Kasinospieler aufzustellen- sie sollte viemehr Teile des Kasinos schließen."(Zitat: S. 84)

Im Rahmen meines Politologiestudiums habe ich einst zwei Hauptseminare in Ethik belegt. Mein damaliger Professor warb vergeblich dafür, auch in anderen Fachbereichen das Fach Ethik einzuführen. Er war schon damals überzeugt, dass es wichtig ist, ein Bewusstsein für humanistische Werte zu schaffen, wenn man etwas anderes als das Wiederaufleben des Urzustandes, wie Hobbes ihn beschreibt, im Sinn hat.


Es freut mich, dass auch de Weck an Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Mitgefühl, Gerechtigkeitssinn, Nächstenliebe und Selbstlosigkeit appelliert und Wege aufzeigt, wie man dem Kasinokapitalismus den Boden entzieht. Dies wird kein einfacher Weg sein, aber ich halte ihn für realisierbar, nicht zuletzt, weil ihn die Vernunft gebietet und ich davon überzeugt bin, dass letztlich stets die Vernunft siegt.






Rezension: Abschied vom Homo Oeconomicus: Warum wir eine neue ökonomische Vernunft brauchen (Gebundene Ausgabe)

"Aufschwung ist entspannt und voller positiver Energie, die sich auf ihren fast sicheren neuen Erfolg freut, Abschwung ist stressig und voller bitterer Energie, die sich gegen drohendes Verhängnis stemmt."(Dueck)

Jakob Fugger soll in Zeiten schlechter Konjunktur immer eine besonders große Prachtentfaltung an den Tag gelegt haben. Seine Strategie führte ihm stets neue Kunden zu. Offensichtlich wandte er die richtige Psychologie an. Fuggers gelassene Geschäftstüchtigkeit machte ihn so reich, dass seine Nachfahren nach über 500 Jahren immer noch sehr gut von seinem Vermögen leben können. Vorlieben, Vorurteile und immaterielle Präferenzen sind, was ihn betrifft, nicht bekannt. Man weiß aber, dass er stets ganz ungemein profitorientiert agiert hat und immer bestens informiert war.

War Fugger einer der wenigen wirtschaftlich tätigen Menschen auf die der Begriff " Homo Oeconomicus " zutrifft?
Was überhaupt ist ein " Homo Oeconomicus "?
Es ist ein vereinfachtes Menschenbild, welches davon ausgeht, dass der Mensch stets nach einem ökonomischen Prinzip (ein bestimmtes Ziel soll mit minimalem Aufwand erreicht werden, bzw. bei vorgegebener Aufwandsmöglichkeit soll ein möglichst hohes Ziel erreicht werden) handelt. Dieser modellhafte und idealtypische Mensch ist absolut rational und materiell orientiert, kennt weder Vorlieben, Vorurteile oder immaterielle Präferenzen (Werte) und verfügt zudem über umfassende Marktinformation.


Prof. Dr. Gunther Dueck, Cheftechnologe bei IBM, studierter Mathematiker zeigt in seinem Buch, dass der rationale " Homo Oeconomicus " ein Kunstgedanke ist, der bei schlechter Konjunktur nicht greift, weil die Menschen in der Regel dann stets kopflos handeln, wodurch sich wirtschaftliche Schwierigkeiten zu stressigen Großproblemen steigern. Unter dem Druck der Anbieter mutieren solide Märkte in turbulente Basare. Die geschieht auf Kosten der Qualität. In der Folge verlieren fast alle Menschen in einer Gesellschaft an Klasse und sinken ab. Dueck macht deutlich, dass Klassen unter Stress oder Kampf entstehen, ganz unabhängig von der Weltordnung, die gerade herrscht bzw. beabsichtigt ist. Stressverhalten ist der Totengräber einer florierenden Wirtschaft. Leider scheinen Menschen ihre Wirtschafttheorien nicht nach den Gesichtspunkten der Vernunft zu entwickeln, sondern stets dem gesamtgesellschaftlichen Stresspegel anzupassen.

Dueck weist darauf hin wie der Körper biochemisch in Stresssituationen reagiert und welche Folgen Hyperaggressivität, das ständige Gefühl von Dringlichkeit, die Tendenz zu Übererfüllung der Ziele sowie " Polyphasic Behavior " und Impulsivität auf Arbeitsergebnisse haben. Die Ansichten, die in Aufschwungszeiten herrschen sind andere wie jene im Chaos und genau dies ist fatal.  Dueck erklärt was in Wachstumszeiten und in solchen der Sättigung geschieht. Verhalten im Crash wird verdeutlicht, dem dann jeweils Nutzenbetrachtungen , Kostenbetrachtung und Profitbetrachtung der Arbeit folgen, doch leider niemals unter rationalen Gesichtspunkten. Stets agieren Getriebene, die sich der komplizierten psychologischen Situation nicht bewusst sind.

Dueck zeigt welche wirtschaftlichen Vorstellungen Menschen in guten und in schlechten Zeiten haben und was sie zu jenen Zeiten generell vom Leben denken. Leider divergieren die Ansichten erheblich. Stetigkeit wäre gefragt, ist jedoch selten feststellbar. Die Wirtschaftstheorien sind der jeweiligen Situation angepasst, zeichnen sich aber alle durch Maßlosigkeit aus und diese Maßlosigkeit ist es die Firmen und die Wirtschaft im Allgemeinen destabilisiert. Es ist hochinteressant, was der Autor im Einzelnen zum Up&Down in Unternehmen schreibt und zu welchen philosophisch-ökonomischen Wahrheiten er gelangt. Dueck fragt, wie Wirtschaft überhaupt in rationalem Fahrwasser gehalten werden kann und sieht in der Beantwortung dieser Frage das Kernproblem der Ökonomie. Wirtschaftliches Maßhalten in allen Zeiten, das predigte Erhard schon, ist der einzige Weg langfristig erfolgreich zu agieren. Auch für Dueck ist das Maßhalten in guten und schlechten Wirtschaft-Perioden der Schlüssel um die Dinge im Fluss zu halten.Dem kann man nur zustimmen.


Rezension: Folter, Pranger Scheiterhaufen

Autor dieses Buches ist der Jurist und Rechtwissenschaftler Wolfgang Schild. Er hat seit 1977 an der Universität Bielefeld den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie inne. In diesem reich bebilderten Buch stellt Schild die Rechtsprechung im Mittelalter vor.


Wie man dem Klappentext bereits entnehmen kann, möchte das Buch die alte Gerichtsbarkeit in all ihren Facetten begreiflich machen, die sich aus dem Weltbild jener Zeit erklären lässt. Nicht der Mensch, so liest man dort, war das Maß aller Dinge, sondern stattdessen drehte sich alles um Gott. Weil das so war befasst der Autor sich auch zunächst mit dem christlich-religiösen Rechtsverständnis. Schild thematisiert zunächst den rechtlichen und den richtenden Gott, fokussiert alsdann die von Gott verliehene Rechtsmacht, um schließlich den so genannten Gottesfrieden, die Gottesurteile und den Teufel als Rechtssubjekt zur Sprache zu bringen.


Gottesurteile hat es in allen Kulturen gegeben, allerdings nicht immer in Berufung auf eine Gottheit, sondern in der Frühzeit nicht selten als Zwingszauber gegenüber den Elementen Erde, Wasser Feuer. Diesen Elementen wurden reinigende Funktionen zugesprochen. Der juristische Begriff "Gottesurteil" ist erst in der Aufklärung geprägt worden und sollte alle Formen der "irrationalen" Verfahrensschritte erfassen (vgl.S.:28). Auf Bildern werden zahlreiche Gottesurteile dargestellt, so etwa das sogenannte "Hexenbad", das Gottesurteil des glühende Eisens, die Bahrprobe etc..

1215 verbot Papst Innozens III. die Mitwirkung von Geistlichen beim Vollzug von Gottesurteilen und Thomas von Aquin (um 1225-1274) begriff die Ordalen als verbotende Wahrsagerei. In Verfahren vor geistlichen Gerichten wurde das Gottesurteil übrigens seit 1215 nicht mehr zugelassen (vgl.S.: 35). Auch Friedrich II. verbot bereits 1231 für Sizilien Gottesurteile als vernunftwidrig. Allerdings stützte man sich im Zauber-und Hexereiverfahren anfangs auf Gottesurteile. Im 16. und 17. Jahrhundert kam das "Hexenbad" erneut ins Gespräch, wurde aber vor Gericht zumeist nicht anerkannt.


Im 2. Kapitel des Buches befasst sich der Jurist mit der der Regelung des sozialen Lebens aufgrund von lebenspraktischem Recht. Die Menschen erfuhren was verboten und erlaubt war durch öffentlich und insofern sinnlich erfahrbar vollzogene Rechtsakte und durch die Predigten in der Kirche. Die sichtbare Geordnetheit vermochte den Rechtsinstanzen die notwendige Legimitation vermitteln. Dies kam der Ausbildung der gesellschaftlich-staatlichen Macht zugute. Schild zieht das Fazit, das je stärker der Staat und je theoretischer sein Recht wurde, desto mehr verlor das Recht seine Fundierung in der religiös-sozialen Praxis der Menschen (vgl. S. 39).

In der Folge liest man von der Öffentlichkeit des Rechtslebens, der Rechtsstellung des Einzelnen und seiner Ehre. Gemeint ist nicht die innere Würde, sondern das soziale Ansehen, der Ruf, der Leumund. Die Mitglieder kleiner, überschaubarer Gemeinschaften brachten ihre Anerkennung und Missbilligung in den kommunikativen Ehrdiskurs ein. Der Sachsenspiegel von Eike von Repkow nimmt darauf Bezug. Thematisiert werden ausgiebig öffentliche Hinrichtungen, aber auch von Begnadigungen durch Erbitten der Ehepartner, die allerdings sehr selten Wirklichkeit wurden (vgl: S. 48).


Zur Sprache kommen ferner u.a. die Öffentlichkeit des Verfahrens und das Öffentlichmachen der sogenannten Missetat. Es führt zu weit dies an dieser Stelle alles ausführlich zu erläutern, so viel nur: alles liest sich so spannend wie ein Krimi. So erfährt man u.a. von einem Zweikampf (der Sachsenspiegel regelte den Zweikampf alles Mittel der Konfliktentscheidung und nicht als Gottesurteil) zwischen Ruprecht von Freising und einer Frau, die ihm Notzucht vorwarf: Der mit einem Kampfkolben bewaffnete Mann sollte bis zum Nabel in ein Erdloch einbuddelt werden, die linke Hand auf den Rücken gebunden. Die Frau erhielt einen in ihr Tuch eingewickelten Stein, den sie als Schleuderwaffe nutzen konnte. Siegte die Frau, dann sollte dem Mann der Kopf abgeschlagen werden, siegte der Mann wurde der Frau die Hand abgeschlagen ( vgl.:S. 69).


Kapitel 3 ist dem rechtlichen Verfahren gewidmet. Hier hat mich vor allem das Inquistitionsverfahren und die Folter interessiert. Im Ketzerprozess teilte man dem Verdächtigen nicht mehr die Namen der Belastungszeugen mit und schmälerte hierdurch seine Verteidigungsmöglichkeiten. Später wurde sogar die Folter zugelassen. Dieses ursprünglich im Kirchenrecht ausgeübte Verfahren wurde im Inquisitionsprozess auch Praxis der weltlichen Gerichte. Der erste Gesetzestext, der die Folter erwähnt, kommt aus der Stadt Verona 1228. In der Folge liest man von der "Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. (Carolina). Dort wird u.a. auch das Überstehen der Folter ohne Geständnis geregelt. In besagtem Fall sprach man von "Purgation" (Reinigung). Die Verwendung von Feuer, z.B. von brennenden Schwefelplätzchen, die man auf die Haut klebte, waren während der Folter schon ein kleiner Vorgeschmack, was dann bei der "Purgation" folgte.


Der Autor thematsiert einen Musterprozess. Dieser fand am so genannten endlichen Rechtstag statt und wurde öffentlich inszeniert und nach alten feierlichen Ritualen vollzogen. Wie das "Theater des Rechts" aufgeführt wurde, kann man dem Salbuch der Stadt Volkach von 1504 nachvollziehen. Schild berichtet darüber und wartet mit Illustrationen aus besagtem Buch auf. Später wird man mit dem Begriff " Missetäter" (heute Straftäter) vertraut gemacht. Man erfährt Näheres über den Rechtsverletzer, den Friedenbrecher, über landschändliche Leute, Verräter, Feinde und Teufelsbündner und freut sich im Hier und Jetzt zu leben. Dr. Faustus war übrigens ein Teufelsbündner nach der damaligen Betrachtung, weil er den Teufel zu beschwören lernte. Im Ergebnis war deshalb Dr. Faustus selbst teuflisch. Die Carolina auch der Sachsenspiegel gingen nicht zimperlich mit Teufelbündnern um. 1589 wurde ein Vater und seine beiden Töchter in Bedburg bei Köln grausam hingerichtet, weil sie unter Folter gestanden hatten, Schwarzmagie zu betreiben (vgl: S. 154).

Im letzten Kapitel dann erfährt man viel über die Strafen im Mittelalter. Bilder veranschaulichen die ganze Brutalität mit der vorgegangen wurde. Ich erspare mir an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen. Man erfährt auch Näheres über die Person des Scharfrichters und seine Tätigkeit, zudem werden verschiedene Formen der Todesstrafen genannt. Im Zusammenhang mit der Hexerei ist das Verbrennen allseits bekannt. Es gab aber auch Verstümmelungsstrafen, Strafen zu Haut und Haar, Vermögensstrafen und Freiheits- und Arbeitsstrafen. Eine grausame Zeit, die verdeutlicht, wozu der unaufgeklärte Mensch fähig ist.


Ein hochinteressantes Buch.

Rezension:Der Deutschland-Clan - Das skrupellose Netzwerk aus Politikern, Top-Managern und Justiz (Gebundene Ausgabe)

Es wird Zeit, dass an den Universitäten endlich ernsthaft erwogen wird, Studenten aller Fachbereiche mit ethischen Denkinhalten zu konfrontieren und dass zukünftig ein Hochschulexamen nur noch dann zu erlangen ist, wenn der Prüfling sich einem abschließenden Kolloquium unterzieht, das sich mit ethischen Fragestellungen befasst. Zukünftige Entscheider müssen rechtzeitig sensiblisiert werden für ein zivilisiertes Miteinander jenseits von profanem Eigennutzdenken.

Die ethische Verantwortung nicht weniger Manager, Politiker und Juristen scheint ganz offensichtlich auf dem Nullpunkt angelangt zu sein. Korruption, Vetternwirtschaft und daraus folgend unheilvolle Egotripper-Connections zeigen sich kontraproduktiv für das Allgemeinwohl.

Jürgen Roth hat in seinem Buch erschreckend viele Fälle kriminellen Korruptions- und Klüngelverhaltens bis in höchste Wirtschafts- Bank- und Regierungskreise aufgedeckt. Er zeigt , wie unser Land allmählich vor die Hunde geht, weil der so genannte Deutschland-Clan (bestehend aus Managern, Juristen und Politikern) sich ohne Unterlass raffgierig die Taschen füllt und einmal am Trog angekommen, jegliche Contenance vergessend, hemmungslos säuft und säuft , währenddessen die gesellschaftlichen Strukturen vorsintflutliche Gestalt annehmen. Die Mittelschicht in unserem Land wird an dem habgierigen Geschachere auf höchster wirtschaftlicher und politischer Ebene zerbrechen. Argentinien ist für ein solch abgründiges Verhalten geradezu paradigmatisch.

Roth plädiert dafür nicht zu resignieren, sondern sich stattdessen aktiv einzusetzen für mehr Vernunft und Verantwortung unserer Gesellschaft gegenüber. Ich bewundere Ihre Zivilcourage und Ihre Aufrichtigkeit, verehrter Herr Roth und empfehle Ihr Buch jedem, der sich mit der Realität unseres Landes auseinandersetzen möchte.